Der Krieg in der Ukraine ist schwer nachzuvollziehen – und die Äußerungen von Präsident Trump machen es nicht leichter. In einem Monat schreibt er der Ukraine keinerlei Chancen zu und sagt, sie habe „keine Karten in der Hand“. Im nächsten erklärt er, sie könne ihr gesamtes Territorium von Russland zurückerobern – „und vielleicht sogar noch weitergehen“.
Russland und die Ukraine stehen sich in zwei separaten Wettläufen gegenüber, die über das Schlachtfeld hinausgehen: ein Wettrennen um technologische Innovationen, das die Zukunft der Kriegsführung neu definiert, und ein Langstreckenlauf zur Aufrechterhaltung der politischen Stabilität im eigenen Land.
Der Drohnenkrieg
Artillerie, Raketen, Panzer und Grabenkrieg dominierten die ersten Jahre des Krieges – aber das ist jetzt nicht mehr der Fall.
Heute übernehmen Drohnen den Großteil der tödlichen Arbeit.
Dabei handelt es sich nicht um große, teure Drohnen wie Predators oder Reapers. Die russischen und ukrainischen Drohnen sind meist kleine, massenproduzierte Quadrocopter oder günstige Fluggeräte in der Größe eines Kajaks. Beide Seiten versuchen, sie schneller, billiger und tödlicher herzustellen. Russlands industrielle Stärke hat Putins Armee zuletzt einen Vorteil verschafft: In diesem Jahr hat Russland mehr als 34.000 Drohnen in die Ukraine geschickt – fast neunmal so viele wie im Vorjahr.
Und es sind nicht nur Luftdrohnen. In einer verlassenen Fabrik namens „Killhouse Academy“ lernen ukrainische Rekruten, unbemannte Bodenfahrzeuge zu steuern, die Nachschub liefern und Verwundete evakuieren – Aufgaben, die für Menschen zu gefährlich geworden sind. Im Schwarzen Meer halten drohnenartige Schnellboote und Torpedos Russlands Flotte in Schach.
Das ist die neue „Ökonomie des Krieges“: Drohnen im Wert von Hunderten oder wenigen Tausend Dollar müssen mit Raketen im Millionenbereich abgeschossen werden – um Panzer und Schiffe zu schützen, die noch teurer sind. Das verändert die Natur des Konflikts.
Ein weiterer Wettlauf ist im Gange – zur Verbesserung von Drohnenabwehrsystemen und zu deren Überwindung. Bessere elektronische Störsender können von Drohnen überlistet werden, die über Glasfaserkabel gesteuert werden – die wiederum mit einfachen Netzen gestoppt werden können. Risikokapital fließt in ukrainische Start-ups. Moskau erhält Unterstützung aus dem Iran und China.
Der nächste Durchbruch – möglicherweise durch Künstliche Intelligenz – könnte den Krieg entweder wenden oder die Frontlinien einfrieren.
Die Belastung wird spürbar
Im Juli füllten Menschenmengen die Straßen Kiews, um gegen den Versuch von Präsident Wolodymyr Selenskyj zu protestieren, die unabhängigen Antikorruptionsbehörden des Landes zu schwächen. Er lenkte schnell ein. Die Sorgen bleiben jedoch bestehen.
Seit fast vier Jahren gilt in der Ukraine das Kriegsrecht; andernfalls hätte Selenskyj im vergangenen Jahr um seine Wiederwahl kämpfen müssen. Selbst seine Hauptgegner sind sich jedoch einig, dass das Land inmitten des Krieges auf eine spaltende, störende Wahl verzichten sollte.
Das lässt die Demokratie in der Ukraine – für die Demonstranten vor einem Jahrzehnt Blut vergossen – in einem fragilen Zustand zurück. Langjährige Sorgen über Korruption verschärfen sich durch die Angst, dass Gelder für den Krieg veruntreut werden. Zu Beginn des Krieges legten die Ukrainer alle ihre Differenzen beiseite, doch dieser Zusammenhalt beginnt zu bröckeln. Ein Abgeordneter sagte kürzlich, Selenskyjs Versuch, die Antikorruptionsbehörden zu schwächen, mache die Ukraine anfälliger für russische Versuche, politische Unruhe zu säen – eine Abkürzung zum Sieg im Krieg.
In Moskau scheint Wladimir Putin im Amt zu sitzen. Doch auch in Russland bedroht der Krieg sein autoritäres System.
Korrespondenten der New York Times berichteten im Sptember über eine Spaltung in Putins engstem Kreis, als ein langjähriger Berater, der ein Friedensabkommen unterstützte, zurücktreten musste. Der Kreml gibt massiv Geld aus, um den Krieg fortzusetzen und gleichzeitig eine wachsende Unzufriedenheit in der Bevölkerung zu dämpfen – unter anderem mit sehr hohen Prämien bei der Anwerbung neuer Rekruten.
Russlands Fähigkeit, diese Ausgaben beizubehalten und dabei länger durchzuhalten als die ukrainischen Bemühungen zur Wahrung der Einheit in seiner Bevölkerung, ist ein Wettstreit der politischen Systeme, der genauso aufmerksam beobachtet werden muss, wie der Krieg selbst.
In Ägypten beginnen entscheidende Gespräche zum Frieden in Gaza
Vertreter aus Israel, der Hamas und den USA befinden sich heute in Ägypten zu Gesprächen, die den Krieg in Gaza beenden sollen. Sowohl Israel als auch die Hamas haben signalisiert, dass sie bereit sind, auf Trumps Waffenstillstandsplan einzugehen – doch es bestehen noch erhebliche Differenzen.
Am Freitag erklärte die Hamas, sie sei bereit, alle verbliebenen Geiseln im Gazastreifen im Austausch gegen palästinensische Gefangene in Israel freizulassen. Die Gespräche in Ägypten sollen sich auf diesen Austausch und einen Rückzug Israels aus Teilen Gazas konzentrieren.
Die nächste Verhandlungsphase dürfte jedoch deutlich schwieriger werden. Dabei geht es unter anderem um die Entwaffnung der Hamas und die Einrichtung einer neuen Regierung für Gaza, die die Hamas ausschließt.
Israel geht davon aus, dass sich noch etwa 20 lebende Geiseln in Gaza befinden, sowie die Leichen von mindestens 25 weiteren. Es ist unklar, ob die Hamas die Geiseln freilassen wird, bevor eine umfassende Einigung erzielt wurde. Sie sind das wichtigste Druckmittel der Terrororganisation.
Weitere Nachrichten im Überblick
- Gisèle Pelicot erscheint heute in Frankreich wieder vor Gericht – es geht um die Berufung eines Mannes, der einer von Dutzenden war, die sie im Drogenrausch vergewaltigten. Die Begegnungen wurden über fast zehn Jahre von ihrem Ehemann gefilmt.
- Der angeschlagene britische Premier versprach, im Falle eines Wahlsiegs 150.000 illegale Einwanderer pro Jahr abzuschieben.
- Während sich der Regierungsstillstand in den USA in die zweite Woche zieht, gibt es noch keine Fortschritte bei einem Haushaltsgesetz.
- In Syrien finden die ersten Parlamentswahlen statt, seit Rebellen Bashar al-Assad vor zehn Monaten gestürzt haben.
- Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bestätigte den Großteil des neuen Kabinetts von Sebatsian Lecornu – viele alte Gesichter bleiben auf Schlüsselposten.
- Erdrutsche und Überschwemmungen haben in Nepal mindestens 40 Menschen das Leben gekostet – eine zusätzliche Herausforderung für die Übergangsregierung.
- Taifun Matmo hat Südchina erreicht. Über 151.000 Menschen mussten evakuiert werden – Überschwemmungen drohen.
Abonniere einfach den Newsletter unserer Chefredaktion!