Donald Trump hat es erneut zur Priorität erklärt: Millionen Menschen ohne Papiere sollen aus den Vereinigten Staaten abgeschoben werden. Eine Maßnahme, die er während seines ersten Präsidentschaftswahlkampfes und erneut bei seiner Rückkehr ins Weiße Haus angekündigt hat. Doch die Umsetzung eines solchen Plans wäre nicht nur humanitär verheerend, sondern auch wirtschaftlich und gesellschaftlich katastrophal. Die Frage bleibt: Kann ein Land sich selbst destabilisieren, während es vorgibt, sich zu schützen?
Die schiere Dimension: 3 % der US-Bevölkerung betroffen
11 Millionen Menschen ohne Aufenthaltsgenehmigung leben laut Schätzungen in den Vereinigten Staaten – das sind etwa 3 % der Bevölkerung. Die meisten dieser Menschen haben sich über Jahre hinweg in ihre Gemeinden integriert, viele von ihnen sind Eltern amerikanischer Kinder oder mit Bürgern verheiratet. Eine Abschiebung in dieser Größenordnung würde nicht nur Individuen treffen, sondern auch Millionen von Familien auseinanderreißen und Gemeinschaften destabilisieren.
Der menschliche Preis wäre enorm. Rund 4,4 Millionen Kinder in den USA haben mindestens einen Elternteil ohne Aufenthaltsstatus. Eine Massenabschiebung würde sie entweder von ihren Familien trennen oder dazu zwingen, in ein ihnen fremdes Land zu ziehen. Der psychologische und soziale Schaden – insbesondere für die Kinder – wäre langfristig und tiefgreifend.
Utopie oder Realität? Die logistischen Hürden
Selbst mit unermesslichem Aufwand wäre ein solches Vorhaben kaum durchführbar. Bereits unter der Obama-Regierung, die zwischen 2009 und 2017 als eine der strengsten in Bezug auf Abschiebungen galt, erreichten die Zahlen nie mehr als 316.000 Abschiebungen pro Jahr. Unter Trump lag der Höchstwert 2019 bei 267.000 – weit entfernt von den Millionen, die er nun ins Visier nehmen will.
Um Trumps Plan umzusetzen, müsste die Anzahl der Haft- und Abschiebeeinrichtungen um das 24-fache erhöht werden. Gleichzeitig würde die Abschiebung eines einzigen Millionen-Menschen-Jahres rund 88 Milliarden Dollar kosten. Über ein Jahrzehnt gerechnet wären das fast eine Billion Dollar. Ein solches Vorhaben würde die föderalen Budgets sprengen und die Finanzierung anderer essenzieller Programme gefährden.
Ein wirtschaftliches Eigentor
Die Vereinigten Staaten profitieren enorm von der Arbeitskraft der Menschen ohne Aufenthaltsstatus. 8,3 Millionen von ihnen sind Teil der Erwerbsbevölkerung, was knapp 5 % der Arbeitskräfte des Landes ausmacht. Besonders stark vertreten sind sie in Branchen wie Bauwesen, Landwirtschaft und Gastronomie – Sektoren, die für die US-Wirtschaft essenziell sind.
Das Argument, dass amerikanische Arbeitskräfte diese Lücken füllen könnten, wurde durch vergangene Erfahrungen widerlegt. Untersuchungen in der Landwirtschaft zeigen, dass nur wenige US-Amerikaner bereit sind, die körperlich anstrengenden und oft saisonalen Arbeiten zu übernehmen, die von Migranten erledigt werden. Ohne diese Arbeitskräfte würden Preise für Lebensmittel und Dienstleistungen steigen, da Unternehmen mit Arbeitskräftemangel kämpfen oder ihre Produktion ganz einstellen müssten.
Inflation und Wirtschaftsrückgang
Eine Massenabschiebung hätte zudem gravierende Auswirkungen auf die Wirtschaft insgesamt. Laut einer Studie des Peterson Institute for International Economics würde die Abschiebung von 1,3 Millionen Menschen die Inflation um 1,5 % ansteigen lassen. Würden alle 8,3 Millionen Arbeiter ohne Papiere abgeschoben, könnte die Inflation in den nächsten drei Jahren um bis zu 9 % steigen – eine dramatische Belastung für Verbraucher und Unternehmen.
Darüber hinaus würde das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der USA erheblich schrumpfen. Ein Rückgang von 1,2 % bei der Abschiebung von 1,3 Millionen Menschen mag gering erscheinen, doch bei 8,3 Millionen würde der Verlust bis 2028 auf 7,4 % steigen. Ein solches Szenario würde die erste Wirtschaftsmacht der Welt in eine Rezession stürzen.
Der gesellschaftliche Preis
Neben den wirtschaftlichen Schäden käme eine immense soziale Belastung hinzu. Die Angst vor Abschiebung würde nicht nur die betroffenen Familien belasten, sondern ganze Gemeinden destabilisieren. In vielen Städten und Bundesstaaten sind Menschen ohne Papiere tief in die Gemeinschaften integriert. Ihre Ausweisung würde ein Klima des Misstrauens schaffen und soziale Spannungen verschärfen.
Auch das Bildungssystem wäre betroffen. Millionen von Kindern, die ihre Eltern verlieren, müssten psychologisch betreut werden, während Schulen sich an sinkende Schülerzahlen und wachsende Unsicherheiten anpassen müssten. Die langfristigen Kosten für die Gesellschaft wären unermesslich.
Fazit: Ein gefährliches Experiment
Trumps Plan, Millionen von Menschen abzuschieben, basiert auf der Vorstellung, dass dies die USA sicherer und wohlhabender machen würde. Doch die Fakten sprechen eine andere Sprache: Die Abschiebung von Millionen Menschen würde die Wirtschaft destabilisieren, die Inflation anheizen, Familien zerstören und das soziale Gefüge des Landes schwer belasten.
In einer Welt, die zunehmend globalisiert und vernetzt ist, scheint dieser Vorschlag nicht nur unrealistisch, sondern auch gefährlich kurzsichtig. Ein Land, das seine eigenen Werte – Freiheit, Gleichheit, Chancengleichheit – verrät, verliert nicht nur an moralischer Autorität, sondern riskiert auch, seine eigene Stabilität zu untergraben. Was bleibt, ist die Frage: Ist dies der Preis, den die USA zu zahlen bereit sind?
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