Tag & Nacht

Vor einem Jahr traf die Bretagne ein Unwetter historischen Ausmaßes – die Sturmfront Ciaran. Mit Böen bis zu 200 Stundenkilometern riss der Sturm alles nieder, was sich ihm in den Weg stellte: ganze Wälder wurden entwurzelt und hinterließen ein Bild der Verwüstung. Nun, ein Jahr später, zeigt sich die Natur langsam wieder von ihrer zähen Seite. Zwischen den gefallenen Ästen und aufgeschichteten Baumstümpfen sprießen neue Triebe – doch die Wiederherstellung der Landschaften wird Jahrzehnte dauern.

„Eine schreckliche Nacht“

Für Marie-Thé und René-Pierre, ein älteres Paar, das in Finistère am Rande der Huelgoat-Wälder lebt, ist der Abend des Sturms immer noch präsent. Der Wald war für sie ein Zufluchtsort mit besonderen Felsen und uralten Bäumen, ein Ort voller Magie. „Als wir am Morgen nach Ciaran hinausgingen, war ich den Tränen nah“, erzählt René-Pierre, während seine Frau hinzufügt: „Überall lagen Äste, und unser wunderschöner Wald war am Boden – die Bäume standen einfach nicht mehr.“

Doch so verheerend der Anblick auch war, ein kleiner Hoffnungsschimmer tut sich auf. An vielen Stellen schieben sich bereits erste junge Triebe aus der Erde, wie Pascal Gauthier vom französischen Forstamt ONF bestätigt. „Man sieht hier und da fünf bis zehn Zentimeter hohe Keimlinge. Wir haben kleine Zypressen, Birken, Kiefern und Douglasien – ein hoffnungsvoller Anblick.“

Die Natur kämpft sich zurück – aber mit Hindernissen

Die Wiederkehr des Waldes verläuft jedoch nicht reibungslos. Eine besondere Herausforderung stellt das Wild dar, das sich die zarten Triebe gern als Mahlzeit genehmigt. „Wenn die Rehe nicht alles abfressen, könnte dies tatsächlich die Zukunft unserer Wälder sein“, meint Pascal Gauthier. Seine Hoffnung liegt dabei auf der Fähigkeit der Natur, sich selbst zu erneuern, zumindest in einem bestimmten Rahmen.

Das Forstamt unterstützt diesen Erneuerungsprozess, indem es gefällte Bäume entfernt und verkauft. Das schafft Platz und gibt den verbleibenden Pflanzen Licht und Raum – eine Voraussetzung für das Wachstum. Es geht jedoch nicht nur um die reine Wiederbewaldung, sondern auch darum, die richtige Balance zwischen den verschiedenen Baumarten zu finden. Fichten etwa könnten sich zu stark ausbreiten und anderen Arten wie Buchen, Eichen oder Kastanien den Raum nehmen, weshalb hier gezielt reguliert wird.

Ein Wald im Wandel: Herausforderungen des Klimawandels

Doch selbst wenn der Wald sich regeneriert, steht er vor einer noch größeren Herausforderung: dem Klimawandel. Extreme Wetterbedingungen nehmen weltweit zu, und auch in der Bretagne könnten Stürme wie Ciaran häufiger und heftiger werden. „Unsere Aufgabe ist es, auf diesen Wandel zu reagieren“, betont Pascal Gauthier. Während die Natur aus eigener Kraft vieles wiederherstellen kann, steht der Mensch vor der Aufgabe, diese Prozesse gezielt zu lenken und anzupassen.

Gleichzeitig bedrohen längere Trockenperioden den Aufbau eines stabilen Waldbestandes. Auch in einer traditionell feuchten Region wie der Bretagne können die Böden austrocknen, was das Wachstum und die Widerstandsfähigkeit der Bäume erschwert. Welche Baumarten werden am besten mit diesen neuen Bedingungen zurechtkommen? Welche Ökosysteme können sich an die veränderten Umstände anpassen? Fragen wie diese werden die Forstwirtschaft und den Naturschutz in den kommenden Jahrzehnten beschäftigen.

Zukunft des Waldes: Ein Balanceakt

Die Rückkehr des Waldes nach einem so massiven Sturm wie Ciaran erfordert Geduld und einen langen Atem. Es ist ein Balanceakt, bei dem der Mensch einerseits hilft und andererseits die Natur auch ihren eigenen Weg gehen lassen muss. Die Arbeit des Forstamtes beschränkt sich dabei auf die Auswahl und Pflege widerstandsfähiger Baumarten und auf die Sicherstellung, dass jede Baumart eine faire Chance bekommt.

Dass diese Generation die Rückkehr der alten, mächtigen Bäume erleben wird, ist allerdings unwahrscheinlich. Doch auch die neue Generation von Bäumen, die den Wald nun besiedelt, bringt eine Vielfalt mit sich, die uns einen Vorgeschmack darauf gibt, was der Wald einmal wieder sein könnte – wenn Rehe und andere Wildtiere sich zurückhalten und wenn der Mensch klug steuert. Die Natur hat ihren eigenen Zeitplan – und der umfasst oft viele Jahrzehnte.

Das Erbe des Sturms: ein neuer Wald für kommende Generationen

Die Wiederherstellung des Waldes in der Bretagne zeigt eindrucksvoll, wie widerstandsfähig die Natur ist, auch wenn sie durch menschliche Eingriffe und den Klimawandel zusätzlich belastet wird. Die Frage ist, wie wir uns in dieser Zeit des Wandels verhalten: Werden wir aktiv und schaffen Bedingungen, die sowohl Mensch als auch Natur zugutekommen?

So mag der Anblick der heutigen Wälder in der Bretagne zwar noch immer ein erschütternder sein, doch in jedem jungen Trieb liegt auch eine Hoffnung auf eine neue, widerstandsfähige Generation von Bäumen. Und wer weiß? Vielleicht sind es genau diese Wälder, die in der Zukunft den stärkeren Stürmen standhalten und ein neues Gleichgewicht in der Landschaft schaffen – ein Gleichgewicht, das auch die kommenden Generationen noch zu schätzen wissen werden.


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