Tag & Nacht




Die Vereinigten Staaten haben Iran bombardiert – und behaupten, es diene dem Frieden. US-Präsident Donald Trump lässt keine Gelegenheit aus, sich als Architekt einer neuen außenpolitischen Rationalität zu inszenieren. Doch der Angriff auf iranische Atomanlagen nährt Zweifel an dieser Selbstdarstellung. Denn was als gezielter Schlag gegen nukleare Kapazitäten verkauft wird, erinnert fatal an das ideologische Vorwärtsdrängen früherer amerikanischer Militärinterventionen – von Afghanistan bis Irak.

Der Vergleich mit 2003 drängt sich auf, auch wenn die Unterschiede evident sind. Aber wie damals wird das Narrativ vom gerechten Präventivschlag von Geheimdienstberichten getragen, deren öffentliche Begründungen nicht vollständig überzeugen. Wie damals schwanken die europäischen Reaktionen zwischen Mahnung zur Zurückhaltung und demonstrativer Loyalität – London hält sich diesmal erneut nicht an kontinentale Zurückhaltung. Und wie damals mischen sich westliche Stimmen unter die Chöre der Hoffnung auf einen Regimewechsel – nicht ohne koloniale Untertöne.

Trump handelt nicht allein. Israel, das den aktuellen Krieg mit gezielten Tötungen hochrangiger iranischer Wissenschaftler und Militärs de facto eröffnet hat, begrüßt den amerikanischen Schulterschluss mit Pathos. Premierminister Netanjahu spricht von einer „historischen Wende“, durch die der gefährlichste Staat der Welt an der Produktion der gefährlichsten Waffen gehindert werde. Die Rhetorik lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig – sie verrät aber mehr über die Motive der Initiatoren als über die realen Aussichten auf Frieden.

Iran wiederum spricht von Verrat – und trifft damit einen wunden Punkt amerikanischer Glaubwürdigkeit. Noch wenige Tage zuvor hatte Washington eine „Pause“ von zwei Wochen angekündigt, um diplomatischen Gesprächen Raum zu geben. Dass diese Phase nun mit bunkerbrechenden Bomben beendet wurde, zerstört das Vertrauen, das ohnehin auf sehr brüchigem Fundament ruhte.

Dabei galt Donald Trump als Kritiker genau jener militärischen Überdehnungen, die sein Handeln nun heraufzubeschwören droht. Sein außenpolitisches Mantra war: keine neuen Kriege. Seine Antrittsrede im Januar formulierte ein Bekenntnis zur Zurückhaltung. Und doch droht nun ein Szenario, das all jenen Kräften Auftrieb verleiht, die eine militärische Eskalation im Nahen Osten nicht fürchten – sondern kalkuliert herbeiführen.

Die iranische Reaktion bleibt vorerst begrenzt, doch sie ist nicht abgeschlossen. Die Möglichkeit einer Blockade der Straße von Hormus – für den weltweiten Ölhandel von zentraler Bedeutung – wurde bereits offen diskutiert. Ein solcher Schritt würde Teherans Verbündete in Asien empfindlich treffen, könnte aber auch eine Kettenreaktion auslösen, deren Ende nicht absehbar ist. Die Warnung von US-Diplomaten, Khamenei selbst sei auch ein mögliches Ziel, markiert eine neue Eskalationsstufe.

Die Hoffnung, Iran werde seine Schwäche erkennen und sich zurückziehen, ist ebenso trügerisch wie gefährlich. „Viele iranische Vergeltungsoptionen sind strategisch einem Selbstmord gleichzusetzen“, warnt der Analyst Karim Sadjadpour. Der Preis für Teheran wäre hoch – doch Regime, die sich existenziell bedroht fühlen, treffen selten rationale Entscheidungen.

In der iranischen Gesellschaft ist der Widerstand gegen das theokratische System real – doch Kriege stärken oft gerade jene Regime, die sie eigentlich delegitimieren sollen. Nationalistische Reflexe überlagern innenpolitische Konflikte. Schon jetzt berichten Beobachter aus Teheran, dass sich der Griff des Staates eher verhärtet als gelockert hat. Viele Regimegegner fürchten, dass ihr Kampf für Demokratie in den Bombennächten untergeht.

Washington steht nun vor einem Dilemma. Die Glaubwürdigkeit seiner Rhetorik von „begrenzten Schlägen“ wird mit jeder Explosion weiter untergraben. Dass der Vizepräsident behauptet, man sei nicht im Krieg mit Iran, sondern nur mit seinem Atomprogramm, mag innenpolitisch funktionieren. International wirkt es wie ein irrationales semantisches Feigenblatt.

Kriege, so zeigt die Geschichte, folgen keiner kontrollierbaren Logik. Und wer sie beginnt, verliert oft schneller die Kontrolle, als er glaubt. Trump läuft Gefahr, sich in einem Konflikt zu verstricken, dessen Ausbruch er selbst lange als Fehler früherer Präsidenten verurteilt hat. Der Preis wäre hoch – nicht nur für den Nahen Osten, sondern für die amerikanische Außenpolitik insgesamt.

Autor: Andreas M. Brucker

Neues E-Book bei Nachrichten.fr







Du möchtest immer die neuesten Nachrichten aus Frankreich?
Abonniere einfach den Newsletter unserer Chefredaktion!