Am 24. März 2025 starb Hossam Shabat bei einem israelischen Luftangriff in Beit Hanoun im nördlichen Gazastreifen. Der junge palästinensische Journalist, Mitarbeiter von Al Jazeera, wurde nur 21 Jahre alt. Mit seinem Tod verlor die Welt nicht nur einen mutigen Berichterstatter – sondern auch eine Stimme, die bis zuletzt nicht verstummte.
In einer Abschiedsbotschaft, die er vor seinem Tod verfasste, ließ Shabat eindrucksvoll Revue passieren, wie sich sein Leben in kürzester Zeit ins Gegenteil verkehrte: von einem Universitätsstudenten mit großen Träumen zum Reporter an vorderster Front, der zwischen Trümmern lebte, unter offenem Himmel schlief und mit der Realität des Krieges konfrontiert war. Ein Satz aus seinem Schreiben geht besonders unter die Haut: „Wenn ihr diese Zeilen lest, bedeutet das, dass ich getötet wurde – wahrscheinlich absichtlich – von den israelischen Besatzungskräften.“
Eine Generation im Ausnahmezustand
Shabat war einer von vielen jungen Palästinensern, deren Alltag sich seit Oktober 2023 komplett veränderte. Der Krieg zwischen Israel und Gaza ließ kaum Raum für Normalität. Doch während andere flohen oder verstummten, dokumentierte Shabat unermüdlich das Leid seiner Landsleute – mit Kamera, Stift und einem festen Ziel: der Welt zu zeigen, was in Gaza wirklich geschieht.
Sein Einsatz ging weit über klassischen Journalismus hinaus. Er war Chronist eines zerstörten Alltags, eine Stimme für die Stimmlosen – und letztlich ein Mahner. „Ich habe jeden Moment meines Lebens meinem Volk gewidmet“, schrieb er. Und es klingt nicht wie Pathos – sondern wie bittere Realität.
„Bitte hört nicht auf, über Gaza zu sprechen“
Sein letzter Appell richtet sich nicht nur an Kolleginnen und Kollegen, sondern an uns alle: „Lasst nicht zu, dass die Welt wegschaut. Erzählt weiterhin unsere Geschichten, bis Palästina frei ist.“ Was bleibt von so einem Aufruf? Ein Kloß im Hals – und die unbequeme Frage: Hören wir überhaupt hin?
Am selben Tag wie Shabat wurde ein weiterer Journalist getötet: Mohammed Mansour, Korrespondent für „Palestine Today“, kam mit seiner Frau und seinem Sohn bei einem Angriff in Khan Yunis ums Leben. Eine Familie ausgelöscht – eine weitere Stimme zum Schweigen gebracht.
170 Journalisten – und die Zahl steigt
Die Statistik ist erschütternd: Seit Beginn des Krieges wurden über 170 Journalistinnen und Journalisten in Gaza getötet. Eine Zahl, die nicht einfach nur eine Zahl ist. Hinter jedem Namen steckt ein Leben, eine Geschichte, ein Einsatz für die Wahrheit.
Organisationen wie das „Committee to Protect Journalists“ schlagen Alarm. Sie fordern unabhängige Untersuchungen und sprechen Klartext: Die gezielte Tötung von Medienschaffenden ist ein Kriegsverbrechen.
Und tatsächlich: Immer wieder gibt es Berichte, dass Reporter trotz klarer Kennzeichnung beschossen werden – mit voller Absicht. Pressefreiheit – ein Fundament jeder Demokratie – wird in dieser Zeit mit Füßen getreten.
Zwischen Schutzweste und Zielscheibe
Die Lage in Gaza ist für Journalistinnen und Journalisten lebensgefährlich. Es gibt keine sicheren Orte, keine Garantien – nur die Hoffnung, dass die Welt endlich hinschaut. Reporter ohne Grenzen fordert deshalb verstärkten Schutz für Medienschaffende in Krisengebieten und mahnt die internationale Gemeinschaft, endlich Druck auszuüben.
Denn wer Informationen zum Schweigen bringt, bringt auch Menschen zum Schweigen. Und wer Kriegsverbrechen nicht benennt, macht sich mitschuldig.
Ein Name, der bleibt
Hossam Shabat war jung, mutig und voller Hoffnung – und er wusste, dass er für seine Arbeit sterben könnte. Trotzdem hörte er nicht auf. Seine Worte, seine Bilder, seine Geschichte – sie dürfen nicht vergessen werden.
Denn sein letzter Wunsch war kein individueller. Er war ein kollektiver Ruf nach Gerechtigkeit.
Und ganz ehrlich: Wenn wir auch nur einen Funken Empathie in uns tragen, dann sollten wir diesen Wunsch hören. Und ihn weitertragen.
Von C. Hatty
Abonniere einfach den Newsletter unserer Chefredaktion!