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Die bevorstehende Begegnung zwischen US-Präsident Donald Trump und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Washington steht unter besonderen Vorzeichen. Während die beiden Staatschefs über ein Abkommen zur Übertragung von Mineralrechten an die USA verhandeln, verfolgt die neue amerikanische Administration gleichzeitig eine diplomatische Initiative zur Beendigung des Krieges in der Ukraine.

Politische Spannungen vor dem Treffen

Die Atmosphäre des Treffens ist durch vorherige Äußerungen Trumps belastet. Noch in der vergangenen Woche hatte er fälschlicherweise behauptet, die Ukraine habe den Krieg mit Russland begonnen, und Selenskyj als einen „Diktator ohne Wahlen“ bezeichnet. Diese Aussagen sorgten international für Aufsehen, da sie die historische Realität verzerren: Russland begann den Krieg mit der Annexion der Krim 2014 und führte 2022 eine umfassende Invasion durch.

Zudem ist Selenskyj durch eine demokratische Wahl 2019 mit deutlicher Mehrheit ins Amt gekommen. Die seit drei Jahren ausgesetzten Wahlen in der Ukraine sind eine Folge des anhaltenden Kriegsrechts – eine Entscheidung, die westliche Regierungen als notwendige Maßnahme zur nationalen Sicherheit anerkennen.

Trump hingegen hat sich in seiner zweiten Amtszeit auffallend wohlwollend gegenüber dem russischen Präsidenten Wladimir Putin geäußert. Noch in dieser Woche nannte er ihn „sehr intelligent“ und „äußerst gerissen“. Im Gegensatz zu seinen harten Worten für Selenskyj verzichtete er darauf, Putins Wahlmanipulationen oder die gegen ihn vorliegenden internationalen Haftbefehle zu kritisieren.

Ein wirtschaftlicher Deal als Bedingung für Unterstützung

Hinter den diplomatischen Spannungen steht ein pragmatisches Kalkül: Trump fordert, dass die Ukraine für die massive US-Militärhilfe unter Präsident Joe Biden wirtschaftliche Gegenleistungen erbringt. Laut einem vorläufigen Entwurf des Abkommens soll Kiew künftig die Hälfte der Einnahmen aus der Förderung und Monetarisierung von Rohstoffen – darunter seltene Mineralien, Erdöl und Erdgas – an die Vereinigten Staaten abtreten.

Trump argumentierte am Donnerstag, dass dies „eine wirtschaftliche Entwicklungschance für beide Länder“ sei. Kritiker sehen darin jedoch einen beispiellosen Schritt, der die Ukraine in eine wirtschaftliche Abhängigkeit von den USA bringen könnte.

Ein zentraler Streitpunkt sind dabei die tatsächlichen Zahlen zur internationalen Militärhilfe. Während Trump behauptet, die USA hätten 350 Milliarden Dollar zur Unterstützung der Ukraine bereitgestellt und Europa lediglich 100 Milliarden, zeigt eine Analyse des Kieler Instituts für Weltwirtschaft ein anderes Bild: Die US-Hilfe beläuft sich auf 119 Milliarden Dollar, während europäische Staaten insgesamt 138 Milliarden Dollar bereitgestellt haben.

Friedensverhandlungen oder geopolitische Interessen?

Parallel zu den Verhandlungen über die Mineralrechte bemüht sich Trump um eine diplomatische Lösung des Ukraine-Krieges. Während des Wahlkampfs hatte er versprochen, den Krieg „innerhalb von 24 Stunden“ zu beenden – ein Versprechen, das bislang unerfüllt geblieben ist.

Bislang gibt es keine klaren Hinweise darauf, wie genau Trump eine Friedenslösung herbeiführen will. Seine Äußerungen zu diesem Thema schwanken zwischen Optimismus und Fatalismus: „Ich denke, es wird passieren, hoffentlich schnell. Falls nicht, könnte es gar nicht passieren.“

Europäische Partner, darunter der britische Premierminister Keir Starmer, haben sich bereits bereiterklärt, Truppen für eine internationale Friedensmission in der Ukraine nach einem Waffenstillstand bereitzustellen. Trump lehnt jedoch eine US-Beteiligung ab und weigert sich, verbindliche Sicherheitsgarantien für die Ukraine auszusprechen.

Langfristige Auswirkungen für die Ukraine

Sollte das Abkommen über Mineralrechte tatsächlich in Kraft treten, würde es die geopolitische Landschaft erheblich verändern. Die USA könnten damit einen direkten wirtschaftlichen Hebel in der Ukraine erhalten, während Kiew möglicherweise langfristig finanzielle Einbußen hinnehmen müsste.

Zudem bleibt die Frage offen, ob die Ukraine unter den aktuellen Sicherheitsbedingungen überhaupt in der Lage sein wird, ihre Rohstoffvorkommen wirtschaftlich zu nutzen. Ohne eine umfassende Modernisierung der Infrastruktur und stabile geopolitische Verhältnisse könnten diese Pläne auf lange Sicht kaum realisierbar sein.

Während Trump also darauf setzt, mit wirtschaftlichem Druck eine für die USA vorteilhafte Lösung zu erzwingen, steht Selenskyj vor der schwierigen Aufgabe, sowohl seine nationale Souveränität zu bewahren als auch die dringend benötigte Unterstützung zu sichern.

Von P.T.

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