Der Tod von Brigitte Bardot hat Frankreich in einen Zustand versetzt, den man kennt und der doch jedes Mal überrascht: Das Land trauert – und streitet zugleich. Kaum war die Nachricht vom Ableben der wohl berühmtesten Blondine der Republik öffentlich, begann ein politischer Schlagabtausch, der weniger mit Pietät als mit Positionsbestimmung zu tun hat. Die Idee eines nationalen Gedenkens, vorgetragen mit Pathos und politischem Kalkül, spaltet die politische Klasse entlang vertrauter Linien.
Auf der einen Seite jene, die in Bardot eine Verkörperung Frankreichs sehen, eine Marianne aus Zelluloid, deren Bild um die Welt ging. Éric Ciotti fordert den Präsidenten feierlich auf, der Nation einen letzten großen Akt der Anerkennung zu ermöglichen. Mehr als 15.000 Unterschriften stützen seine Petition, lanciert über die Parteiplattform der UDR. Unterstützung kommt aus einem politischen Lager, das sich seit Jahren auf Symbole und Identitätsfragen konzentriert. Die Nähe zu Marine Le Pen ist dabei kein Geheimnis, sondern Teil der Erzählung.
Auch Christian Estrosi meldet sich zu Wort. In Nizza, won er Bürgermeister ist, soll ein markanter Ort künftig Bardots Namen tragen. Die Botschaft ist klar: Hier wird nicht nur getrauert, hier wird markiert. Bardot, so scheint es, eignet sich bestens als Projektionsfläche. Für Nostalgie. Für nationale Selbstvergewisserung. Und, ganz ehrlich, auch für Wahlkampf. Das ist Politik, wie sie lebt – manchmal von der Emotion, manchmal von der Gelegenheit.
Doch ein nationaler Tribut ist kein Straßenfest. Er folgt festen Ritualen, ist selten und von Gewicht. Ein Dekret des Präsidenten, eine Zeremonie, oft im Herzen von Paris, etwa im Hof des Hôtel des Invalides. Von Staatsmännern, Widerstandskämpfern, Opfern des Terrors hat die Nation dort Abschied genommen. Auch Künstler, die weit über ihr Metier hinaus wirkten, wurden dort geehrt. Charles Aznavour. Jean-Paul Belmondo. Namen, die kaum Widerspruch auslösten.
Bei Bardot liegt der Fall anders. Nicht wegen ihrer Bedeutung für das Kino, die unbestritten bleibt. Sondern wegen der Brüche, die ihr öffentliches Leben durchzogen. Der Ruhm der frühen Jahre, die Radikalität des Rückzugs, der kompromisslose Einsatz für den Tierschutz. Und dann jene Aussagen, die Gerichte beschäftigten und viele Menschen verletzten. Rassistisch. Fremdenfeindlich. Antimuslimisch. Worte, die nachhallen, auch wenn der Vorhang gefallen ist.
Die Linke reagiert entsprechend reserviert, um nicht zu sagen: abwehrend. Olivier Faure (PS) formuliert nüchtern, nationale Ehrungen seien außergewöhnlichen Verdiensten um die Republik vorbehalten. Bardot habe sich, so der Vorwurf, von republikanischen Werten entfernt. Man spürt in diesen Tagen ein kollektives Unbehagen, fast so, als halte man sich die Nase zu, während andere bereits die Fahnen hissen.
Dabei stellt sich eine grundsätzliche Frage, die über Bardot hinausweist. Lässt sich Trauer verordnen? Kann ein Dekret Emotion erzeugen? Die Geschichte spricht dagegen. Johnny Hallyday erhielt keinen nationalen Staatsakt, aber ein Volksbegräbnis, das die Straßen von Paris füllte. Der Präsident sprach auf den Stufen der Madeleine, und das reichte. Die Anteilnahme kam von unten, nicht von oben. Sie war echt, laut, manchmal kitschig, aber unbestreitbar.
Im Fall Bardot schweigt Emmanuel Macron bislang. Ein Schweigen, das lauter wirkt als jede Rede. Vielleicht aus Respekt. Vielleicht aus Vorsicht. Vielleicht, weil der Präsident weiß, dass jede Entscheidung – ob für oder gegen ein nationales Gedenken – sofort politisch gelesen würde. In Zeiten, in denen jede Geste seziert wird, ist Untätigkeit bisweilen die klügste Option.
Und dann gibt es noch Bardot selbst, die Frau hinter der Ikone. Freunde berichten von ihrem Wunsch nach Schlichtheit, nach einem Abschied ohne großes Zeremoniell. Saint-Tropez, ein Wintertag, kein Pomp. Man kann diese Stimmen als nachträgliche Legendenbildung abtun. Man kann sie aber auch ernst nehmen. Denn vielleicht liegt hier die eigentliche Lehre dieser Tage: Nicht jedes Leben, so schillernd es auch gewesen sein mag, verlangt nach staatlicher Weihe.
Frankreich liebt seine Debatten. Es liebt es, sich zu zerlegen und wieder zusammenzufügen. Der Streit um Bardot zeigt das in Reinform. Er offenbart die Sehnsucht nach guten Symbolen ebenso wie die Angst vor falschen. Er zeigt eine Republik, die ringt mit ihrem Selbstbild, mit ihrer Vergangenheit, mit der Frage, wer dazugehören darf – auch im Tod.
Am Ende bleibt die Erkenntnis, dass Erinnerung kein Besitz ist, den man sich aneignen kann. Sie gehört denen, die fühlen. Und die fühlen unterschiedlich. Das mag unbefriedigend sein für jene, die klare Zeichen setzen wollen. Es ist aber vielleicht der ehrlichste Zustand, den eine pluralistische Gesellschaft erreichen kann. Bardot, die Unangepasste, hätte darüber womöglich gelächelt. Oder auch geschimpft. Man weiß es nicht. Und genau das passt erstaunlich gut.
Von Andreas M. Brucker
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