Am 20. November 2025 wurde in den Vereinigten Staaten ein 28-Punkte-Plan zur Beendigung des Ukraine-Kriegs bekannt. Das Papier, das maßgeblich von Trumps außenpolitischem Gesandten Steve Witkoff und Außenminister Marco Rubio verfasst wurde, sieht weitreichende Zugeständnisse der Ukraine an Russland vor – darunter Gebietsabtretungen, Neutralität gegenüber der NATO und eine Begrenzung der Streitkräfte. Im Gegenzug sollen Kiew umfassende Sicherheitsgarantien und wirtschaftliche Aufbauhilfen gewährt werden. Während Moskau auf zentrale Punkte des Plans seit Jahren pocht, reagierten sowohl die ukrainische Führung als auch große Teile Europas mit Zurückhaltung oder offener Ablehnung.
Eine Ordnung zu Russlands Bedingungen?
Im Zentrum des amerikanischen Vorschlags steht ein klassischer diplomatischer Tausch: territoriale, sicherheitspolitische und militärische Konzessionen Kiews gegen eine formal garantierte Souveränität sowie Investitionen in den Wiederaufbau. Russland erhielte im Gegenzug eine internationale Rehabilitierung – darunter die Rückkehr in den G8-Kreis, wirtschaftliche Kooperation mit dem Westen und die Entsperrung eingefrorener Vermögenswerte.
Konkret verlangt der Plan von der Ukraine die formale Anerkennung der russischen Kontrolle über die Regionen Donezk, Luhansk und der bereits 2014 annektierten Krim. Die international umstrittenen Gebiete Cherson und Saporischschja sollen entlang der aktuellen Frontlinie geteilt werden. Darüber hinaus verpflichtet sich Kiew, auf einen Beitritt zur NATO dauerhaft zu verzichten – sowohl durch einen Verfassungszusatz als auch durch eine korrespondierende Selbstverpflichtung der Allianz selbst.
Ein „neutralisiertes“ Kiew?
Der Plan sieht zudem eine Beschränkung der ukrainischen Streitkräfte auf maximal 600.000 Soldaten vor. NATO-Truppen sollen nicht auf ukrainischem Territorium stationiert werden dürfen, während europäische Kampfjets in Polen verbleiben sollen. Die Ukraine solle sich zur Nicht-Stationierung von Atomwaffen verpflichten, ein entsprechendes Verbot in der Verfassung verankern und sich dauerhaft einer US-Aufsicht über kritische Infrastrukturen wie das Atomkraftwerk Saporischschja unterwerfen.
Im Gegenzug versprechen die USA und ausgewählte europäische Staaten Sicherheitsgarantien „äquivalent zu Artikel 5 der NATO“ – allerdings unter der Bedingung, dass die Ukraine keine „unprovozierten“ Angriffe auf russisches Territorium durchführt. Jeder Bruch dieses Grundsatzes – etwa durch einen Raketenangriff auf Moskau – würde den Sicherheitsmechanismus außer Kraft setzen.
Wirtschaftliche Anreize und russische Reintegration
Neben der sicherheitspolitischen Komponente enthält der Plan einen umfassenden wirtschaftlichen Teil. Ein „Marshallplan“ soll durch westliche Staaten, angeführt von den USA und finanziert auch durch freigegebene russische Vermögen, den Wiederaufbau in der Ukraine unterstützen. 100 Milliarden Dollar eingefrorener russischer Vermögenswerte sollen in ukrainische Infrastrukturprojekte fließen, teils unter amerikanischer Leitung und Gewinnbeteiligung. Auch die EU soll sich mit vergleichbaren Summen beteiligen.
Russland wiederum wird die Rückkehr in den G8 in Aussicht gestellt, ebenso wie der schrittweise Abbau westlicher Sanktionen und die Wiederaufnahme langfristiger Handels- und Investitionsbeziehungen. Beide Seiten verpflichten sich darüber hinaus zur Verlängerung bestehender Abrüstungsverträge, insbesondere zur atomaren Nichtverbreitung und Rüstungskontrolle.
Völkerrechtliche Grauzonen und politische Risiken
Der Plan offenbart eine politische Logik, die auf Realpolitik und geopolitischer Neuvermessung beruht: Russland erhält die Früchte seiner militärischen Aggression zum Preis formeller Stabilitätsgarantien, während die Ukraine im Gegenzug politische und wirtschaftliche Unterstützung zugesagt bekommt – unter Aufgabe zentraler souveräner Rechte.
Eine solche Neuordnung stünde allerdings in offenem Widerspruch zum Völkerrecht und zur Charta der Vereinten Nationen, wonach die Annexion von Territorium durch Gewalt nicht anerkannt werden darf. Auch würde sie ein gefährliches Präjudiz schaffen: dass militärische Erfolge durch diplomatische Kompromisse legitimiert werden können.
Für Kiew wäre eine Annahme politisch kaum vermittelbar. Präsident Selenskyj hat zwar angekündigt, mit seinem amerikanischen Amtskollegen über das Papier zu sprechen, betonte aber zugleich, dass eine „würdige“ Friedenslösung im Einklang mit der ukrainischen Souveränität, Unabhängigkeit und territorialen Integrität stehen müsse. Ob sich dies mit den vorliegenden Bedingungen vereinbaren lässt, erscheint zweifelhaft.
Auch innerhalb der EU regt sich Widerstand. Eine Reihe von Mitgliedsstaaten, insbesondere im Osten, sehen im Plan eine De-facto-Kapitulation Kiews und einen gefährlichen Präzedenzfall für zukünftige Aggressionen. Sie fürchten eine geopolitische Teilung Europas entlang einer neuen Einflusssphäre Russlands – abgesichert durch amerikanische Abkommen, ohne europäische Mitsprache.
Der Vorschlag macht deutlich, dass die nächste Phase des Ukraine-Krieges nicht nur auf dem Schlachtfeld entschieden wird, sondern auch in den Konferenzräumen der Diplomatie – zwischen Machbarkeitsdenken, historischen Prinzipien und geopolitischen Interessen.
Autor: P. Tiko
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