Am Mittwoch, dem 10. September 2025, meldeten die Houthi-Rebellen im Jemen, dass Israel Luftangriffe auf die Hauptstadt Sanaa geflogen habe. Bestätigt wurde dies von Al-Masirah TV, dem Sprachrohr der Houthis. Offizielle Reaktionen aus Israel blieben zunächst aus, doch die Ereignisse fügen sich in ein sich zuspitzendes Muster ein: Der Konflikt zwischen Israel und der vom Iran unterstützten Houthi-Bewegung ist zu einer eigenständigen Eskalationsachse geworden – weit über den Gaza-Krieg hinaus.
Ein Kriegsschauplatz erweitert sich
Seit Monaten feuern die Houthis Raketen und Drohnen in Richtung Israel ab. Offiziell begründen sie dies mit Solidarität gegenüber den Palästinensern im Gazastreifen. Tatsächlich jedoch ist der Konflikt längst Teil der regionalen Konfrontation zwischen Israel und dem Iran, die sich über Stellvertreterkriege und asymmetrische Aktionen äußert.
Israel wiederum hat begonnen, jemenitische Ziele systematisch ins Visier zu nehmen. Neben Raketenstellungen und Drohnenbasen gehören auch militärische Kommandozentren und Infrastrukturanlagen zu den Angriffszielen. Damit rückt der Jemen, ohnehin eines der ärmsten und instabilsten Länder der arabischen Welt, stärker in den Brennpunkt des Nahostkonflikts.
Operation „Lucky Drop“: Eine Wende
Ein entscheidender Wendepunkt war der 28. August 2025. An diesem Tag traf die israelische Luftwaffe in Sanaa ein Treffen hochrangiger Houthi-Funktionäre. Getötet wurden dabei Premierminister Ahmed al-Rahawi sowie mehrere Minister. Der Angriff, unter dem Codenamen „Operation Lucky Drop“ geführt, zielte darauf ab, die politische und militärische Führungsstruktur der Houthis empfindlich zu schwächen.
Die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten. Die Houthis kündigten Vergeltung an, intensivierten ihre Angriffe auf Israel und verstärkten ihre Drohungen gegen internationale Unternehmen, die im israelischen Markt tätig sind. Zugleich nahmen sie Mitarbeiter internationaler Organisationen ins Visier, was die humanitäre Lage im Jemen weiter verschärfte und internationale Proteste hervorrief.
Eskalation mit regionaler Sprengkraft
Die jüngsten Berichte über israelische Angriffe auf Sanaa sind daher nicht isoliert zu sehen, sondern markieren eine weitere Etappe der Eskalation. Mit jedem Angriff steigt die Gefahr, dass der Konflikt nicht nur bilateral bleibt, sondern sich zu einer regionalen Auseinandersetzung auswächst.
Mehrere Faktoren tragen dazu bei:
- Iranische Rolle: Die Houthis gelten als eine der wichtigsten Stellvertretermilizen Teherans. Jeder Schlag Israels gegen die Houthis ist damit auch ein Signal an den Iran.
- Strategische Lage des Jemen: Die Kontrolle über Teile der Küste am Roten Meer verschafft den Houthis die Möglichkeit, den internationalen Schiffsverkehr zu stören – eine Achillesferse für den globalen Handel.
- Fragile Staatlichkeit: Der jemenitische Bürgerkrieg hat bereits seit Jahren eine katastrophale humanitäre Situation hervorgebracht. Neue militärische Eskalationen drohen die Krise weiter zu vertiefen.
Internationale Dimension
Die internationale Gemeinschaft beobachtet die Entwicklungen mit wachsender Sorge. Zum einen droht die ohnehin prekäre Sicherheitslage im Roten Meer außer Kontrolle zu geraten. Zum anderen verschärft sich die Gefahr, dass UN- und Hilfsorganisationen im Jemen zwischen die Fronten geraten.
Die diplomatischen Spielräume sind begrenzt. Vermittlungsversuche zwischen Israel und den Houthis sind unrealistisch, solange diese den Konflikt mit Israel als ideologischen Kernbestandteil ihres Kampfes definieren. Ebenso wenig ist zu erwarten, dass Israel in seiner Strategie nachlassen wird, solange es Raketenbeschuss aus dem Jemen hinnehmen muss.
Ausblick
Die Angriffe vom 10. September sind somit weniger ein überraschender Einzelakt als vielmehr die Fortsetzung einer Eskalationsspirale, die durch „Operation Lucky Drop“ eine neue Dynamik erhalten hat. Sollte es nicht gelingen, über regionale Mächte wie Saudi-Arabien oder internationale Foren eine Eindämmung zu erreichen, könnte sich aus der Nebenfront im Jemen ein zentraler Kriegsschauplatz im Nahen Osten entwickeln – mit unkalkulierbaren Folgen für die Stabilität der Region.
Autor: P. Tiko
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