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Am 4. September 2025 einigten sich in Paris 26 Staaten auf eine koordinierte Sicherheitsinitiative für die Ukraine nach Kriegsende. Die sogenannte „Koalition der Freiwilligen“ will durch konkrete Sicherheitsgarantien die territoriale Integrität und politische Stabilität des Landes langfristig absichern. Die Initiative markiert einen Wendepunkt in der europäischen Sicherheitsarchitektur – mit Frankreich als Antreiber und Deutschland in abwartender Haltung.


Frankreich als Taktgeber

Frankreich, gemeinsam mit dem Vereinigten Königreich Initiator der Koalition, übernahm beim Pariser Gipfel eine Führungsrolle. Präsident Emmanuel Macron erklärte, Europa sei bereit, Verantwortung zu übernehmen – auch mit dem Einsatz eigener Truppen, wenn nötig. Frankreich plant, sich aktiv an einer sogenannten „Reassurance Force“ zu beteiligen, die nach einem möglichen Friedensschluss in strategischen Regionen der Ukraine stationiert werden soll. Ziel ist es, durch sichtbare Präsenz eine erneute russische Aggression zu verhindern, ohne eine direkte Konfrontation zu provozieren.

Macron verfolgt dabei eine strategische Doppelbewegung: Zum einen wird europäische Handlungsfähigkeit demonstriert, zum anderen bleibt man auf sicherheitstechnischer Ebene auf amerikanische Rückendeckung angewiesen – etwa bei Luftabwehr, Aufklärung und strategischer Koordination.


Deutschlands abwartende Politik

Deutschland hingegen agiert deutlich zurückhaltender. Die Bundesregierung unter Kanzler Friedrich Merz signalisiert zwar Unterstützung für die Sicherheitsinitiative, schließt aber die Entsendung eigener Truppen derzeit aus. Man wolle sich auf Ausbildung, Ausrüstung und finanzielle Hilfe konzentrieren – und Entscheidungen über weitergehende Beiträge erst treffen, wenn ein Friedensabkommen konkrete Rahmenbedingungen vorgibt.

Diese Vorsicht wird im In- und Ausland zunehmend kritisch gesehen. Experten warnen, dass ohne substanzielle deutsche Beteiligung die europäische Initiative an Gewicht verliert. Auch mit Blick auf Deutschlands wirtschaftliche und politische Bedeutung innerhalb Europas wird ein stärkeres sicherheitspolitisches Engagement gefordert.


Europa formiert sich – aber heterogen

Die Koalition der Willigen umfasst inzwischen 35 Länder, von denen sich 26 formell zur Beteiligung an den Sicherheitsgarantien bereit erklärt haben. Die Beiträge sind unterschiedlich ausgestaltet: Während einige Staaten Truppen entsenden wollen, setzen andere auf logistische, humanitäre oder technische Unterstützung. Ziel ist es, eine flexible, abgestimmte Präsenz zu etablieren, die auf langfristige Stabilisierung und glaubwürdige Abschreckung ausgerichtet ist.

Die geplante Reassurance Force soll in enger Abstimmung mit der ukrainischen Regierung agieren, ohne jedoch aktiv in Kampfhandlungen einzugreifen. Stationierungsorte und operative Aufgaben werden derzeit in bilateralen Gesprächen ausgelotet. Parallel dazu soll eine stärkere wirtschaftliche und politische Integration der Ukraine in europäische Strukturen vorangetrieben werden.


Transatlantische Dimension

Die Vereinigten Staaten unterstützen die Initiative politisch, haben sich aber zur konkreten Ausgestaltung ihrer Beteiligung noch nicht festgelegt. Präsident Donald Trump signalisierte Zustimmung, erwartet von Europa jedoch einen eigenständigeren sicherheitspolitischen Kurs. Die USA könnten sich in Form von Aufklärungsleistungen, Geheimdienstkooperation und Cyberabwehr beteiligen, sehen ihre Rolle aber eher als strategische Absicherung denn als operative Führungsmacht.

Die europäische Seite wiederum hofft auf eine verbindlichere amerikanische Beteiligung – nicht zuletzt, um die Glaubwürdigkeit der Sicherheitsgarantien gegenüber Russland zu unterstreichen. In diesem Spannungsfeld gewinnt die europäische Fähigkeit zur eigenständigen Konfliktnachsorge an geopolitischer Bedeutung.


Europa steht am Beginn einer neuen Phase sicherheitspolitischer Selbstbehauptung. Mit der Koalition der Freiwilligen formiert sich erstmals ein europäisch geführtes Sicherheitsbündnis, das konkrete Verantwortung im postsowjetischen europäischen Raum übernimmt. Frankreich geht dabei voran, während Deutschland noch mit sich ringt. Ob diese neue Ordnung trägt, wird sich an zwei Faktoren entscheiden: dem politischen Willen zur Umsetzung und der Fähigkeit, in einem fragmentierten internationalen System gemeinsame strategische Interessen durchzusetzen.

Autor: P. Tiko

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