Tag & Nacht




Frankreich steht an einem heiklen politischen Scheideweg – und die Zivilgesellschaft reagiert. An diesem Samstag, dem 12. April 2025, finden in rund 40 Städten landesweit Kundgebungen statt, bei denen Bürgerinnen und Bürger gemeinsam ein Zeichen setzen wollen: Für die Demokratie, für die Justiz, für den Rechtsstaat.

Ein Aufruf aus der Mitte der Gesellschaft

Der Protest ist breit getragen. Von großen Gewerkschaften wie CGT und Solidaires bis hin zu NGOs wie SOS Racisme, France Terre d’Asile, Greenpeace, SOS Homophobie und der Ligue des droits de l’Homme – sie alle rufen zum friedlichen Widerstand gegen das, was viele als bedrohliche Entwicklung sehen: gezielte Angriffe auf die Justiz, nach dem Prozess, bei dem mehrere Funktionäre des Rassemblement National (RN) wegen Korruption und Veruntreuung verurteilt worden sind.

Auslöser: die Verurteilung von Marine Le Pen

Im Zentrum der Debatte steht das Urteil gegen Marine Le Pen. Am 31. März wurde sie wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder schuldig gesprochen. Das Urteil ist nicht nur juristisch brisant, sondern auch politisch: Le Pen ist für fünf Jahre unwählbar – und das verhindert damit vorerst ihre Kandidatur für die Präsidentschaft 2027.

Was folgte, war ein Sturm der Entrüstung – jedoch nicht gegen die Tat, sondern gegen das Urteil und die Richter. RN-nahe Kreise sprachen von einem „politischen Komplott“, warfen der Justiz Parteilichkeit vor und kündigten Widerstand an. Eine Rhetorik, die für viele Erinnerungen an autoritäre Tendenzen weckt.

„Wer den Rechtsstaat angreift, greift die Demokratie an“

Dieser Satz steht sinnbildlich für die heutigen Proteste. Die Organisatoren betonen: Die Unabhängigkeit der Justiz ist eine tragende Säule der Republik. Wer sie infrage stellt oder zur Zielscheibe politischer Kampagnen macht, untergräbt das Fundament der Demokratie.

In Paris beginnt der Protest um 17 Uhr auf der Place de la République – ein symbolträchtiger Ort für politische Kundgebungen. Auch in Lyon, Marseille, Nantes, Strasbourg und vielen kleineren Städten wird mit einer starken Beteiligung gerechnet.

Zwischen Empörung und Hoffnung

Für viele ist dieser Tag mehr als ein politisches Statement. Es ist ein Akt der Verteidigung – für eine Demokratie, die zunehmend unter Druck gerät. Nicht nur in Frankreich, sondern auch anderswo in Europa sehen viele die Entwicklung mit Sorge: Populistische Strömungen, Angriffe auf Pressefreiheit, Misstrauen gegenüber Institutionen – es ist ein gefährlicher Mix.

Und dennoch: Die Mobilisierung zeigt auch, dass die Zivilgesellschaft wach ist. Dass sie sich nicht einschüchtern lässt. Dass sie bereit ist, ihre Stimme zu erheben – laut, entschlossen, aber friedlich.

Ein Signal an die Politik – und an Europa

Diese Proteste sind ein Appell. An die Regierung, an das Parlament, aber auch an alle demokratischen Parteien: Schützt den Rechtsstaat. Respektiert die Justiz. Und steht ein für die Werte, die Frankreich stark gemacht haben – Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit.

Vielleicht fragt man sich irgendwann: Wäre die Demokratie heute stärker, wenn mehr Menschen damals auf die Straße gegangen wären?

Heute ist einer dieser Tage.

Andreas M. B.

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