Tag & Nacht




Es ist, als würde Frankreich von zwei Naturgewalten gleichzeitig gepackt.

Seit Mitte Juni herrscht eine Hitze, die alles sprengt, was bisher gemessen wurde. In weiten Teilen des Landes stieg das Thermometer über 40 Grad, 84 Départements standen unter Alarmstufe Orange, einige sogar unter der höchstmöglichen Stufe Rot. Eine glühende Glocke, die tagelang auf Städten, Feldern und Bergen lastete.

Doch diese drückende Hitze brachte nicht nur den Kreislau vieler Menschen an seine Grenzen oder ließ Asphalt aufplatzen.

Sie schuf auch die perfekte Brutstätte für etwas, das noch gefährlicher ist.

Am 1. Juli, im Département Alpes-de-Haute-Provence, öffnete der Himmel plötzlich seine Schleusen. Gewaltige Regenmassen ergossen sich über die Region. Achtmal kam es zu gigantischen Schlammlawinen und Steinschlägen – braune, zähe Massen, die sich mit unaufhaltsamer Wucht ihren Weg bahnten.

Die RD900, eine zentrale Verkehrsachse zwischen Saint-Paul-sur-Ubaye und dem Col de Larche, wurde lahmgelegt. Straßen, die tags zuvor noch von Campern, Wanderern und Berufspendlern befahren wurden, verschwanden unter Geröll und Lehm. Verletzte gab es zum Glück keine, doch die Schäden sind immens, die Aufräumarbeiten dauern an.

Und es blieb nicht bei diesem einen Ausbruch.

Weiter westlich, im Tarn, traf es 14 Gemeinden so hart, dass der Staat sie in den Status „Katastrophengebiet“ erhob. Orkanartige Böen, Blitzschlag, Schlammlawinen und Überflutungen rissen Straßen auf, überschwemmten Keller und verwüsteten ganze Ortskerne.

Die Bewohner standen fassungslos vor ihren Häusern, während Schlamm und Wasser langsam abflossen – der beißende Geruch von feuchtem Putz und zerplatzten Heizöltanks lag in der Luft.

Auch die Region Centre-Val de Loire blieb nicht verschont.

Hier schlugen die Gewitter mit einer Wucht ein, die Landwirte und Dorfbewohner gleichermaßen zittern ließ. Hagelkörner groß wie Golfbälle zertrümmerten Dachziegel, zerbeulten Autos, zerfetzten Maisfelder und Gemüsekulturen. Sturmböen rissen Bäume aus der Erde wie Streichhölzer.

Diese Ereignisse zeigen mehr als nur punktuelle Wetterkapriolen. Sie legen offen, wie verwundbar ganze Regionen gegenüber extremen Klimabedingungen geworden sind. Eine unheilvolle Allianz aus Gluthitze und Unwettern mit zerstörerischer Kraft – genau das, wovor Klimaforscher seit Jahren warnen.

Denn je stärker sich die Atmosphäre aufheizt, desto mehr Energie steckt in ihr. Und wenn diese Energie plötzlich entladen wird, passiert genau das, was Frankreich jetzt erlebt: Gewitterzellen, die sich mit erschreckender Geschwindigkeit aufbauen, Luftmassen, die zu Wirbelstürmen werden, Regen, der nicht mehr einfach Regen ist, sondern ein regelrechter Sturzbach vom Himmel.

Die Zahlen sind eindeutig. Frankreich zählt inzwischen zu den europäischen Hotspots für Hitzewellen. Der Sommer 2022 war bereits ein Vorgeschmack, doch 2025 toppt alles, was Klimatabellen bisher zu Papier brachten.

Ein Land am Limit.

Diese Wetterextreme sind kein einmaliger Ausrutscher. Sie sind Vorboten eines Klimas, das sich längst verändert hat. Meteorologen warnen vor weiteren heftigen Gewittern in den kommenden Tagen – während die Temperaturen hoch bleiben und die Böden austrocknen. Es ist ein Teufelskreis: ausgedörrte Böden nehmen Wasser schlechter auf, sodass Starkregen noch schneller zu Überschwemmungen führt.

Was also tun, wenn die Natur ihre Muskeln so gnadenlos spielen lässt?

Frankreich muss sich anpassen – und zwar schneller als bisher geplant. Hitzeaktionspläne, Katastrophenschutzkonzepte, klimaresiliente Stadtplanung, eine Infrastruktur, die nicht nach dem ersten Wolkenbruch kollabiert. Das sind keine Projekte für ferne Zukunftsvisionen, sondern Notwendigkeiten der Gegenwart.

Denn jeder Sommer bringt seine eigenen Rekorde mit.

Und jeder einzelne zeigt uns, wie dünn das Eis unter unseren Füßen geworden ist – wenn es draußen 42 Grad hat.

Autor: C.H.

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