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Frankreich bleibt entschlossen, seine klimapolitischen Ziele zu erreichen: Bis 2030 sollen die Treibhausgasemissionen um die Hälfte im Vergleich zu 1990 sinken. Diese Vorgabe, vom französischen Ministerium für ökologische Transformation am 4. November bekräftigt, zeigt Frankreichs Plan, mit einer Mischung aus verstärktem Einsatz von Kernenergie, einem massiven Ausbau erneuerbarer Energien und einer schrittweisen Abkehr von fossilen Brennstoffen den Emissionsausstoß drastisch zu reduzieren. Doch wie realistisch ist diese Zielsetzung?

Von fossilen zu emissionsfreien Energien: Ein Balanceakt

Laut der neuen Strategie wird Frankreich seinen Energieverbrauch neu aufteilen: Der Anteil fossiler Brennstoffe wie Öl und Gas soll in der Endenergie von aktuell 60 % auf 42 % im Jahr 2030 sinken. 2035 soll dieser Anteil dann auf nur noch 30 % fallen. Frankreichs Programm für die Energiewende, die „Programmation pluriannuelle de l’énergie“ (PPE), und die nationale Strategie für Kohlenstoffneutralität (SNBC) setzen hierbei gezielt auf die Elektrifizierung des Energieverbrauchs, angetrieben durch einen nahezu CO₂-freien Elektrizitätsmix.

Die Energiewende erfordert also eine erhebliche Steigerung der Stromnutzung, die bereits heute in Frankreich zu großen Teilen emissionsarm ist. Die Kernkraft ist hierbei der Schlüssel: 27 % des Endenergieverbrauchs entfallen derzeit auf Strom – bis 2030 soll der Anteil auf 34 % und bis 2035 auf 39 % ansteigen. Doch woher soll all dieser zusätzliche Strom kommen? Ein ehrgeiziges Bauprogramm für neue Kernreaktoren der Generation EPR2 soll Abhilfe schaffen und die bestehende Reaktorkapazität modernisieren. Ziel ist es, die Stromproduktion von 320,4 TWh im Jahr 2023 auf mindestens 360 TWh pro Jahr anzuheben.

Erneuerbare Energien: Das zweite Standbein der Dekarbonisierung

Obwohl die Kernenergie als „Rückgrat“ der französischen Dekarbonisierungsstrategie angesehen wird, spielen auch die erneuerbaren Energien eine zentrale Rolle. So plant Frankreich, die installierte Kapazität an Solarenergie bis 2030 auf das Sechsfache von 2022 zu erhöhen. Die neue Zielvorgabe liegt bei einem jährlichen Zubau von mindestens 5,5 Gigawatt (GW) – ein deutlicher Anstieg gegenüber den 3 GW pro Jahr im bisherigen Plan.

Auch die Windenergie wird konsequent weiter ausgebaut: Der jährliche Ausbau von 1,5 GW bei der Onshore-Windkraft wird fortgesetzt. Mit diesem Tempo soll sich die Kapazität bis 2035 verdoppeln – von 21 GW im Jahr 2022 auf 40 GW. Offshore-Windkraft, die bislang kaum eine Rolle spielte, wird ab 2035 erstmals nennenswerte Mengen zur CO₂-freien Stromproduktion beitragen. Das Ziel ist eine Kapazität von 18 GW, was etwa 10 % der geplanten emissionsfreien Stromproduktion entspricht.

Energieverbrauch senken: Ambitionierte Effizienzpläne

Neben dem Ausbau emissionsfreier Energiequellen setzt Frankreich auch auf einen drastischen Rückgang des Energieverbrauchs. Ziel ist es, bis 2030 den Energieverbrauch um 30 % gegenüber dem Niveau von 2012 zu senken und bis 2050 gar um die Hälfte. Diese Effizienzsteigerungen sollen vor allem durch bessere Gebäudedämmung, den Umstieg auf energieeffiziente Technik in der Industrie sowie eine weitgehende Elektrifizierung der Mobilität erreicht werden.

Doch die Frage bleibt: Lassen sich diese Einsparungen in einem Jahrzehnt umsetzen? Gebäudesanierungen und der Austausch alter Technik sind Investitionen, die oft langfristig angelegt sind und eine hohe Finanzkraft benötigen – ein Hindernis für viele private Haushalte und auch kleine Unternehmen.

Realistische Chance oder überambitioniertes Ziel?

Frankreichs Energiewende-Ziele sind mutig, aber nicht ohne Risiken. Der Ausbau der Kernkraftwerke der neuen Generation, der allein wegen des Baus von EPR2-Reaktoren immens teuer ist, wird die Staatskasse belasten. Zugleich hat Frankreich mit erheblichen Herausforderungen im Bereich der Erneuerbaren zu kämpfen: Genehmigungsprozesse für neue Wind- und Solarprojekte sind langwierig, und der Widerstand lokaler Gemeinschaften ist spürbar. Zudem bleibt die Frage, wie die Nachfrage an elektrischer Energie gedeckt werden kann, wenn gleichzeitig der Energieverbrauch reduziert werden soll.

Fazit: Die Zukunft liegt in einer ausgewogenen Strategie

Die französische Strategie zur CO₂-Reduktion ist ein Drahtseilakt zwischen verschiedenen Interessen und Technologien. Nur eine ausgewogene und realistisch umsetzbare Kombination aus Effizienzmaßnahmen, sauberem Strom aus Atomkraft und einem massiven Ausbau erneuerbarer Energien wird Frankreichs Klimaziele erreichbar machen. Ob dies im angestrebten Zeitraum gelingt – die Zeit wird es zeigen.


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