Tag & Nacht




Manchmal sagt ein einziges Produkt mehr über ein Land aus als tausend Worte. In Frankreich ist das der Käse. Er ist Symbol, Stolz und Sinnbild einer Lebensart, die Genuss nicht nur erlaubt, sondern zelebriert. Doch auch dieses kulinarische Denkmal bleibt nicht unberührt vom Wandel der Zeit – und genau darin liegt seine eigentliche Stärke.

Mehr als 1.200 Sorten. Das ist keine Zahl aus einem Werbeprospekt, sondern das greifbare Ergebnis jahrhundertealter Handwerkskunst. Käse wie der Camembert de Normandie oder der Saint-Nectaire erzählen Geschichten – von Regionen, Familienbetrieben, von Wetter und Weide. Sie sind so vielfältig wie Frankreich selbst.

Und dennoch: Die Zahlen sprechen eine andere Sprache. Der klassische Käsegang, einst Höhepunkt eines jeden französischen Menüs, wird seltener. Junge Konsumenten greifen lieber zur Mozzarella auf der Pizza als zum kraftvollen Roquefort auf der Käseplatte. Zwischen 2007 und 2023 verlor dieser an Bekanntheit – und an Absatz. Ein Stück Kulturgut, das leise in den Hintergrund tritt?

Nein. Denn was hier passiert, ist keine schleichende Verdrängung, sondern ein natürlicher Wandel. Essgewohnheiten verändern sich – und mit ihnen die Rolle des Käses. Er bleibt präsent, nur eben anders: flexibler, internationaler, moderner. Neue Formen der Produktion – etwa vegane Alternativen aus Nüssen – zeigen, wie dynamisch diese Branche agiert. Von einem starren Festhalten an Tradition ist keine Spur. Eher von einem klugen Bewahren und gleichzeitig mutigen Weiterdenken.

Besonders bemerkenswert: Die Rückbesinnung auf Regionalität. Während Industrieprodukte global aufgestellt sind, gewinnt die Direktvermarktung vom Hof an Bedeutung. Der persönliche Kontakt, die Transparenz – das alles schafft Nähe und Vertrauen. Der Käse bekommt wieder ein Gesicht, eine Geschichte, einen Ort.

Doch mit aller Offenheit für Neues darf eines nicht verloren gehen: das Wissen um die Wurzeln. Junge Generationen sollten nicht nur veganen Cashewkäse kennen, sondern auch wissen, wie Roquefort schmeckt – und warum er so schmeckt. Bildung über Geschmack ist genauso wichtig wie Nachhaltigkeit und Innovation.

Frankreich hat das Potenzial, beides zu vereinen: Tradition und Moderne. Die Liebe zum Käse ist tief in der Kultur verankert – sie braucht nur hin und wieder eine neue Verpackung. Wer meint, Käse sei ein Relikt aus Omas Zeiten, irrt. Er ist lebendig. Und er bleibt – wenn wir ihn lassen.

Catherine H.

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