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Mit dem Sturz des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad durch eine von islamistischen Rebellen geführte Offensive wirft sich die Frage auf: Was passiert nun mit den französischen Dschihadisten, die seit Jahren in der Region aktiv sind? Eine Situation, die komplexer kaum sein könnte und eine nicht zu unterschätzende Herausforderung für die französischen Behörden darstellt.

Wie viele französische Dschihadisten befinden sich in Syrien?

Die Zahlen sind erschreckend konkret. Laut Olivier Christen, dem nationalen Anti-Terror-Staatsanwalt Frankreichs, verließen etwa 1.500 Personen das Land in Richtung Syrien oder Irak, um sich dschihadistischen Gruppen anzuschließen. Rund 500 von ihnen sind mittlerweile tot, etwa 390 kehrten nach Frankreich zurück, während sich der Rest teils in Haft, teils in unbekannten Verstecken befindet.

Doch wo sind sie jetzt? Christen unterscheidet zwei Hauptregionen: den Nordosten und den Nordwesten Syriens. Im Nordosten, der von kurdischen Kräften kontrolliert wird, sitzen 131 französische Männer und Frauen sowie etwa 120 Kinder unter katastrophalen Bedingungen in Gefangenenlagern. Im Nordwesten hingegen, insbesondere in der Region um Idlib, halten sich über 100 Franzosen auf, darunter mehrere Frauen, die den Lagern entflohen sind.

Das klingt nach einer klaren geografischen Aufteilung, doch die Realität ist chaotischer, als es diese Zahlen vermuten lassen.

Mit welchen Gruppen haben sie sich verbündet?

Die Antwort darauf führt direkt ins Herz des dschihadistischen Netzwerks in Syrien. Viele französische Kämpfer schlossen sich über die Jahre der radikalen Gruppe Hayat Tahrir al-Sham (HTS) an, die eine dominante Rolle in der Region Idlib spielt. HTS, einst eine Al-Qaida-Niederlassung, distanzierte sich 2018 offiziell von dieser und verfolgt seither eine lokal fokussierte Agenda.

Ein anderer, kleinerer Teil der Franzosen ist der Brigade von Omar Omsen zugehörig. Dieser ehemalige Kleinkriminelle aus Nizza gilt als eine der Schlüsselfiguren der französischen Dschihadistenszene. Omsen, der seit 2013 in Syrien aktiv ist, wird von den französischen Behörden als Drahtzieher und Rekrutierer für Al-Qaida verdächtigt. Seine Gruppe steht mittlerweile in Konflikt mit HTS, was die ohnehin verworrene Situation weiter erschwert.

Haben französische Dschihadisten am Sturz Assads mitgewirkt?

Die genaue Rolle der französischen Kämpfer beim Sturz des Assad-Regimes bleibt unklar. Zwar wurden einige von ihnen in Videos identifiziert, die Kämpfer des HTS in Siegesfeiern zeigen, doch ihre konkrete Beteiligung an den entscheidenden Kämpfen wird noch untersucht.

In einem Bericht wird darauf hingewiesen, dass eine Untergruppe von Franzosen unter der Führung von Ansar al-Tawhid, einer Gruppierung innerhalb des HTS, operiert. Diese kontrolliert die Bewegungen ausländischer Kämpfer und erlaubt ihnen keine eigenständigen militärischen Aktionen. Es scheint also, dass die Franzosen innerhalb des Netzwerks eine streng überwachte Rolle spielen.

Welche Bedrohung geht von ihnen aus?

Hier gehen die Meinungen auseinander. Während Präsident Emmanuel Macron bei einem Besuch in Saudi-Arabien vor der Rückkehr dieser Kämpfer nach Frankreich warnte, betonte Olivier Christen, dass alle bekannten Dschihadisten unter strenger Beobachtung stehen. Jeder von ihnen sei Gegenstand einer gerichtlichen Untersuchung und stehe auf Fahndungslisten. Sollten sie nach Frankreich zurückkehren, könnten sie rasch festgenommen werden.

Eine größere Gefahr könnte jedoch von denjenigen ausgehen, die sich in Syrien oder den Nachbarländern verstecken. Zwar hält HTS die meisten französischen Kämpfer derzeit unter Kontrolle, doch Experten wie Jenny Raflik, Historikerin und Terrorismusforscherin, warnen vor der Unberechenbarkeit der Situation. Sollte sich die politische oder militärische Lage in Syrien erneut ändern, könnten auch die französischen Dschihadisten wieder in den Fokus rücken.

Das Thema bleibt also hochbrisant. Einerseits ist die Bedrohung durch Rückkehrer unter Kontrolle, andererseits sorgt die fragile Situation in Syrien für Unsicherheiten. Wird es den Behörden gelingen, diese komplexe Herausforderung zu meistern? Die kommenden Monate werden Antworten bringen – oder neue Fragen aufwerfen.


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