Es war eine dieser Nächte, die niemand vergisst. Vom Mittwochabend, 25. Juni, auf den frühen Donnerstagmorgen zog ein Unwetter von seltener Wucht über Frankreich hinweg. Und hinterließ ein Land im Ausnahmezustand.
Eine Sturmfront wie ein rollender Panzer
Die Meteorologen sprechen von einem „derecho“. Ein Begriff, der vielen fremd ist – doch seine Wirkung spürte jeder: Eine gewaltige Linie aus schweren Gewittern, über 700 Kilometer lang, raste von der Occitanie bis in die Lorraine. Der Wind erreichte im Allier und der Côte-d’Or bis zu 135 km/h. Das entspricht der Geschwindigkeit eines ICE – nur, dass hier keine Schienen den Kurs vorgeben.
Todesopfer und Verletzte
Die Bilanz ist bitter: Ein zwölfjähriger Junge starb in Piquecos (Tarn-et-Garonne), als ein Baum auf ihn fiel. Ein Mann in Mayenne wurde auf seinem Quad von einem umstürzenden Baum erschlagen. 17 Menschen erlitten Verletzungen, teils schwer.
Blitze, Hagel und ein zerstörtes Stromnetz
Mehr als 40.000 Blitze zuckten in dieser einen Nacht über das Land. Allein in der Occitanie und Nouvelle-Aquitaine schlugen rund 5.500 Blitze ein. Im Gers fielen Hagelkörner vom Himmel, so groß wie Tennisbälle. Dächer barsten, Felder wurden verwüstet. Doch das dramatischste Bild bot sich am Donnerstagmorgen in der Region Allier: 14 Hochspannungsmasten lagen wie gefällte Streichhölzer am Boden.
Die Orkanböen ließen die tonnenschweren Masten einfach einknicken. Ihre Stahlträger verbogen sich, Leitungen rissen. 75.000 Haushalte waren landesweit ohne Strom – eine Zahl, die viele Dimensionen sprengt. In einigen Gemeinden der Allier blieb es mehr als 24 Stunden dunkel.
Kein Licht, keine Kühlschränke, kein Internet. Im 21. Jahrhundert wird einem dann erst bewusst, wie sehr jeder Handgriff vom Strom abhängt.
In mehreren Départements mussten Schulen schließen. Sogar Prüfungen des „Brevet des collèges“, vergleichbar mit der deutschen mittleren Reife, wurden gestrichen und auf einen anderen Tag verlegt.
Über 2.000 Feuerwehrleute rückten zu mehr als 2.500 Einsätzen aus. Enedis-Techniker arbeiten seither pausenlos, um das Stromnetz zu reparieren. Doch die Schäden waren immens – es wird wohl bis Samstag dauern, bis alle Haushalte wieder am Netz sein werden.
Seit dem 19. Juni erlebt Frankreich seine 50. nationale Hitzewelle seit 1947.
Die Hälfte der Hitzewellen trat im 21. Jahrhundert auf. Die Wissenschaft warnt: Je wärmer die Atmosphäre, desto größer die Energie, die Unwetter entfalten können. Was bedeutet das für ein Land, dessen Stromleitungen bereits jetzt unter den Böen zusammenbrechen?
Wie lange noch, bis auch robusteste Strommasten dieser neuen Wirklichkeit nicht mehr standhalten?
Von C. Hatty
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