Tag & Nacht


Die geopolitische Lage rund um den Ukrainekrieg erhält neue Brisanz: Russland lässt verlauten, die Vorbereitungen für ein Gipfeltreffen zwischen Präsident Wladimir Putin und dem US-Präsidenten Donald Trump liefen weiter – trotz einer gegenteiligen Äußerung Trumps, der tags zuvor betont hatte, kein Treffen „für nichts“ abhalten zu wollen. Eine konkrete Terminsetzung gibt es bislang allerdings nicht. Austragungsort soll Budapest sein, Gastgeber der ungarische Premier Viktor Orbán. Doch Zweifel wachsen: Handelt es sich um ernsthafte diplomatische Annäherung – oder ein medienwirksames Schauspiel?

Gegensätzliche Signale aus Moskau und Washington

Während Kreml-Sprecher Dmitri Peskow versichert, die diplomatischen Kanäle seien aktiv und ein Gipfel befinde sich in Vorbereitung, geben sich Vertreter der US-Regierung zurückhaltender. Offiziell heißt es, derzeit seien keine Gespräche mit „substanzieller Agenda“ geplant. Donald Trump selbst erklärte, er wolle keine Begegnung „um des Treffens willen“, ohne klare Perspektive auf Ergebnisse.

Dennoch bleibt offen, ob damit eine Absage gemeint war oder lediglich Druck auf die russische Seite ausgeübt werden soll. Die Kommunikationsstrategie Trumps ist bekanntermaßen erratisch: Eine öffentlichkeitswirksame Zurückweisung kann ebenso Teil einer vorbereitenden Verhandlungsstrategie sein wie ein tatsächlicher Rückzug.

Budapest – symbolischer Ort, diplomatisch heikler Boden

Die Wahl Budapests als möglicher Treffpunkt ist geopolitisch nicht zufällig. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán gilt als einer der wenigen westlichen Regierungschefs mit anhaltend guten Beziehungen zum Kreml. Als EU-Mitglied mit wiederholten Blockaden gegen Ukrainehilfen und EU-Sanktionen hat sich Budapest als eine Art Brückenkopf Moskaus im Westen positioniert.

Zugleich bringt die Wahl der ungarischen Hauptstadt juristische Komplikationen mit sich: Gegen Wladimir Putin liegt ein internationaler Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs vor. Theoretisch verpflichtet sich jedes Unterzeichnerland des Römischen Statuts zur Festnahme. Ungarn hatte im Frühjahr erklärt, es werde dem Haftbefehl im Zweifel nicht Folge leisten – mit dem Argument, das ungarische Recht sehe dafür keine ausreichende Grundlage. Damit riskiert Orbán nicht nur diplomatische Spannungen innerhalb der EU, sondern stellt auch den rechtsstaatlichen Konsens in Frage.

Inhaltliche Unklarheit – Treffen ohne Substanz?

Worüber genau Trump und Putin sprechen könnten, bleibt unklar. Offiziell steht der Ukrainekrieg im Zentrum. Doch eine verhandlungsfähige Basis ist bislang nicht in Sicht. Russland fordert nach wie vor die Anerkennung annektierter Gebiete und lehnt einen vollständigen Rückzug ab. Die Ukraine wiederum macht jede Friedenslösung von der territorialen Wiederherstellung ihres Staatsgebiets abhängig. Auch aus Washington ist kein Kurswechsel zu vernehmen, der auf eine Aufweichung der bisherigen Unterstützungslinie hindeuten würde.

Es ist daher fraglich, ob ein Treffen tatsächlich mehr als symbolischen Charakter hätte. Trump könnte versuchen, sich als Vermittler in Szene zu setzen – insbesondere mit Blick auf die bevorstehenden US-Wahlen. Putin wiederum dürfte darauf hoffen, durch ein solches Format westliche Spaltung sichtbar zu machen und das internationale Narrativ zu beeinflussen.

Zeitgleich: Eskalation und europäische Unterstützung

Während auf diplomatischer Bühne über Gipfeltreffen spekuliert wird, hält die militärische Eskalation in der Ukraine unvermindert an. Neue russische Luftangriffe forderten erneut zivile Opfer und führten zu großflächigen Stromausfällen. Präsident Selenskyj reiste unterdessen nach Norwegen und Schweden, um dort militärische Unterstützungsabkommen zu verhandeln. In Schweden wurde eine Einigung über Waffenexporte angekündigt – mutmaßlich geht es um Komponenten des Kampfflugzeugs Gripen.

In Brüssel bereiten sich die EU-Staaten auf einen Sondergipfel vor, bei dem es unter anderem um die Freigabe eingefrorener russischer Vermögen zur Finanzierung eines 140-Milliarden-Euro-Kredits an Kiew gehen soll. Die außenpolitische Sprecherin der EU, Kaja Kallas, sprach von breitem Konsens innerhalb der Union.

In diesem Spannungsfeld aus militärischer Eskalation, diplomatischen Initiativen und internen Verwerfungen innerhalb des Westens wirkt die Aussicht auf ein Putin-Trump-Gipfeltreffen wie eine Mischung aus symbolischem Schachzug und strategischem Nebelwurf.

Es bleibt offen, ob dieses Treffen tatsächlich stattfinden wird – und wenn ja, ob es mehr ist als eine politische Inszenierung zweier Machthaber mit ähnlichem Faible für das Spektakuläre.

Autor: P. Tiko

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