Nach dem Treffen zwischen Trump und Putin rückt Selenskyjs Besuch in Washington nun ins Zentrum der Friedenssuche
Als sich Donald Trump und Wladimir Putin am 15. August in Anchorage trafen, war die Erwartungshaltung hoch – nicht nur in Washington und Moskau, sondern vor allem in Kyjiw und den europäischen Hauptstädten. Es war das erste direkte Gespräch der beiden seit Beginn der russischen Invasion in der Ukraine im Februar 2022. Doch das Resultat blieb dürftig: Keine gemeinsame Erklärung, keine konkreten Vereinbarungen – und doch war der symbolische Gehalt des Treffens unübersehbar.
Während der Gipfel keine substanziellen Fortschritte brachte, offenbart sich in seinem Nachgang ein neues diplomatisches Ringen um ein Kriegsende in der Ukraine. Im Zentrum steht dabei nun der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, der am kommenden Montag zu Gesprächen mit Trump nach Washington reist. Die strategische Bedeutung dieses Treffens kann kaum überschätzt werden.
Symbolik in Alaska – ein diplomatischer Teilerfolg für Putin
Dass das erste große Treffen des US-Präsidenten Trump in Hinblick auf einen frieden in der Ukraine nur mit Putin und nicht auch mit dem ukrainischen Präsidenten Selensky oder einem anderen westlichen Partner stattfand, ist in sich bereits ein Signal. Noch bemerkenswerter aber ist die Tatsache, dass Putin – trotz internationaler Haftbefehle des Internationalen Strafgerichtshofs – auf US-amerikanischem Boden empfangen wurde, ohne erkennbare Gegenleistungen.
Trump sprach zwar von einem „produktiven Austausch“, betonte aber zugleich, dass es „keinen Deal gibt, bis es einen Deal gibt“. Putin wiederum erwähnte nebulös eine „Verständigung“, ohne Einzelheiten zu nennen. Die russische Position scheint weiterhin unverändert: Kiew müsse territoriale Realitäten akzeptieren und westliche Sicherheitsinteressen zurückstellen.
Für US-Pressevertreter wie die „New York Times“ oder die „Financial Times“ ist der eigentliche Profiteur dieses Treffens klar: Wladimir Putin. Der Auftritt in Alaska bereitete ihm eine Bühne und internationale Legitimität – ohne substanzielle Konzessionen.
Selenskyjs Balanceakt: Widerstand und Annäherung
Wolodymyr Selenskyj reagierte prompt. Nur Stunden nach dem Trump-Putin-Treffen kündigte er ein eigenes Gespräch mit dem US-Präsidenten an. In einem 90-minütigen Telefonat, das während Trumps Rückflug aus Alaska stattfand, lotete Selenskyj die Bedingungen für eine mögliche Friedensarchitektur aus – allerdings nicht im Alleingang: Er bestand darauf, dass europäische Partner in den Prozess eingebunden werden müssten.
Dieses Detail ist entscheidend. Denn es zeigt, dass die Ukraine nicht gewillt ist, sich einem bilateralen US-russischen Arrangement unterzuordnen – eine Sorge, die vor allem in Polen, im Baltikum und auch in Berlin und Paris seit Langem mitschwingt.
Gleichzeitig bekundete Selenskyj Offenheit für ein trilaterales Format – ein Vorschlag, den Trump offenbar ins Spiel gebracht hatte: direkte Verhandlungen zwischen den USA, der Ukraine und Russland. Ob Moskau einer solchen Konstellation zustimmt, bleibt offen. Bislang liegen keine Signale in diese Richtung vor.
Europas Rolle: Zwischen Randständigkeit und Relevanzsuche
In der Folge informierte Trump mehrere europäische Staats- und Regierungschefs über die Gespräche in Alaska – darunter Bundeskanzler Friedrich Merz und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Auch NATO-Generalsekretär Mark Rutte war Teil dieser Konsultationen.
Diese Nachkommunikation mag bemüht wirken – und sie illustriert das eigentliche Dilemma Europas: Zwar ist der Kontinent in humanitärer, militärischer und wirtschaftlicher Hinsicht Hauptlastträger des Ukraine-Krieges, doch in den entscheidenden diplomatischen Formaten bleibt er weitgehend außen vor.
Ein Friedensprozess, der auf amerikanisch-russischer Verständigung basiert, aber ohne europäische Sicherheitsgarantien auskommt, wäre kaum tragfähig. Das weiß auch Selenskyj. Umso wichtiger ist sein Versuch, Washington in eine multilaterale Architektur einzubinden.
Kein Deal in Sicht – aber ein gefährliches Vakuum
Trump gab sich nach dem Alaska-Gipfel betont zurückhaltend: Ein Waffenstillstand sei nicht genug – es müsse ein „echter Frieden“ erzielt werden. Doch was das konkret bedeutet, bleibt vage. Dass Putin derzeit keine Zugeständnisse macht, wurde erneut deutlich. Stattdessen sprach er davon, die „Wurzeln“ des Konflikts – also die geopolitische Ausrichtung der Ukraine – anzugehen.
Diese Formulierung lässt aufhorchen. Denn sie impliziert, dass Moskau weiterhin eine Neutralisierung oder Entmilitarisierung der Ukraine anstrebt – ein Ziel, das mit Kiews westlicher Orientierung nicht vereinbar ist.
Vor diesem Hintergrund erscheint Selenskyjs Besuch in Washington als Versuch, dem sich abzeichnenden geopolitischen Machtvakuum etwas entgegenzusetzen. Seine zentrale Herausforderung besteht darin, die Souveränität der Ukraine zu sichern, ohne dabei in eine diplomatische Isolation zu geraten.
Ob Trumps Bereitschaft zu einem umfassenden Abkommen tatsächlich tragfähig ist oder primär innenpolitischen Zielen geschuldet ist, bleibt offen. Ebenso ist unklar, ob Putin ernsthaft zu Verhandlungen bereit ist – oder das Treffen in Alaska nur als taktischen Schachzug genutzt hat, um seine Position zu stärken.
Die kommenden Tage könnten entscheidend werden. Ein Erfolg Selenskyjs in Washington würde nicht nur die Position der Ukraine stärken, sondern auch die europäische Rolle im Friedensprozess neu definieren. Ein Misserfolg hingegen könnte das Kräfteverhältnis zugunsten Moskaus verschieben – mit langfristigen Folgen für die Sicherheitsordnung Europas.
Autor: Andreas M. Brucker
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