Die diplomatische Front im Ukrainekrieg zeigt erste Bewegung: Bei einem dritten Verhandlungszyklus zwischen Kiew und Moskau, der diese Woche in Istanbul stattfand, ist anscheinend erstmals seit Monaten konkret über ein mögliches Gipfeltreffen zwischen dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin gesprochen worden. Dabei zeichnet sich eine neue, brisante Dimension ab – mit Donald Trump als möglichem Vermittler.
Seit Beginn der russischen Invasion im Februar 2022 galt ein direktes Treffen der beiden Präsidenten stets als hypothetisch. Zu weit lagen die Positionen auseinander, zu groß war das gegenseitige Misstrauen. Doch nun scheint sich zumindest auf ukrainischer Seite eine vorsichtige Öffnung abzuzeichnen. „Wir müssen diesen Krieg beenden – und das beginnt wahrscheinlich mit einem Treffen der Staatschefs“, erklärte Selenskyj am Donnerstag gegenüber internationalen Medien.
Trumps Ultimatum als neuer Verhandlungsrahmen
Besonders bemerkenswert ist die Rolle, die Donald Trump in den jüngsten Verhandlungen spielt. Der US-Präsident setzt auf direkte Einflussnahme. Bereits im Juni hatte er öffentlich angekündigt, den Krieg binnen 50 Tagen nach Amtsantritt beenden zu wollen – ein Ultimatum, das er nun mit einer harschen Sanktionsdrohung gegen Russland unterfüttert hat. Laut ukrainischen Medienkreisen soll Trump signalisiert haben, bereit zu sein, persönlich als Vermittler an einem Gipfeltreffen teilzunehmen.
Die ukrainische Delegation unter Leitung von Rustem Umerov schlug in Istanbul ein Treffen bis spätestens Ende August vor – rechtzeitig vor dem Ablauf von Trumps Frist. Offiziell gibt es dazu weder von Kiew noch von Washington eine Bestätigung. Die bloße Erwähnung dieser Initiative jedoch zeigt, wie sehr sich die Dynamik seit dem Frühjahr verändert hat.
Putin stellt Bedingungen – und wartet ab
Aus Moskau kamen bislang nur verhaltene Reaktionen. Präsident Putin ließ über Kremlsprecher Dmitri Peskow ausrichten, dass er ein Gipfeltreffen erst in einer „finalen Phase“ der Verhandlungen für denkbar halte. Die aktuellen Gespräche in Istanbul bezeichnete er zwar als „notwendig“, betonte jedoch die mangelnden Fortschritte. Tatsächlich bleiben die Positionen nach wie vor diametral: Während Kiew auf eine vollständige Wiederherstellung der territorialen Integrität einschließlich der Krim pocht, besteht Moskau auf einer „neuen Sicherheitsarchitektur“, die eine faktische Neutralität der Ukraine einschließt.
Hinzu kommt ein neuer geopolitischer Faktor: China, das sich lange zurückgehalten hatte, signalisierte laut einem Bericht der Financial Times vom 24. Juli erstmals Bereitschaft, an einem multilateralen Friedensprozess teilzunehmen. Auch Indien und Brasilien wurden in den letzten Wochen wiederholt als mögliche Moderatoren ins Spiel gebracht – ein Indiz dafür, dass der Krieg zunehmend als globale Herausforderung wahrgenommen wird.
Taktisches Zeitspiel auf beiden Seiten
Dass Selenskyj jetzt öffentlich über ein Treffen mit Putin spricht, könnte auch innenpolitisch motiviert sein. Angesichts schwindender westlicher Unterstützung und zunehmender Kriegsmüdigkeit in der ukrainischen Bevölkerung wächst der Druck, diplomatische Perspektiven aufzuzeigen. Auch in den USA selbst hat sich das Klima verändert: Teile der republikanischen Mehrheit im Repräsentantenhaus sprechen sich gegen weitere Militärhilfen für die Ukraine aus, während Trump mit dem Versprechen wirbt, „Amerika aus fremden Kriegen herauszuhalten“.
Für Putin wiederum bietet ein Gipfeltreffen die Chance, international wieder als legitimer Gesprächspartner aufzutreten – ohne dabei militärisch nachzugeben. Die Aussicht auf ein Foto mit Trump und Selenskyj könnte helfen, die eigene Position im globalen Süden zu stärken. Entscheidend wird sein, ob es im Hintergrund konkrete Fortschritte etwa bei Gebietsfragen oder bei Sicherheitsgarantien gibt.
Noch ist offen, ob das angedachte Treffen tatsächlich zustande kommt. Doch allein die Diskussion darüber markiert einen Wendepunkt im diplomatischen Umgang mit dem Krieg. Während an der Front weiterhin gekämpft wird, beginnt auf der politischen Ebene ein neues Kapitel – mit potenziell weitreichenden Folgen für die europäische Sicherheitsordnung.
Autor: Andreas M. Brucker
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