Gisèle Pélicot – ein Name, der die Grenzen des Gerichtssaals in Avignon längst hinter sich gelassen hat. Ihr Mut, ihr Gesicht und ihre Stimme haben dem „Mazan-Vergewaltigungsprozess“ bereits in der ersten Woche eine historische und globale Dimension verliehen. Mit ihrer Entscheidung, den Prozess nicht hinter verschlossenen Türen zu führen und öffentlich zu sprechen, hat sie nicht nur in Frankreich, sondern weltweit Aufmerksamkeit erregt.
Ein mutiger Schritt ins Rampenlicht
Anfang September 2024 startete der Prozess gegen 51 Angeklagte, darunter ihr Ex-Ehemann Dominique Pélicot, vor der Kriminalkammer in Avignon. Diese Männer sollen Gisèle Pélicot über ein Jahrzehnt hinweg, während sie unter Drogen gesetzt und bewusstlos war, sexuell missbraucht haben. Eine schreckliche Realität, die im Jahr 2020 ans Licht kam, als ihre Tochter Caroline Darian das Schweigen brach und das Thema der „chemischen Unterwerfung“ publik machte.
Doch nun trat Gisèle Pélicot selbst ans Mikrofon und lehnte das ihr zustehende Recht auf einen anonymen und Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit ab. Mit dieser Entscheidung verleiht Gisèle nicht nur sich selbst, sondern auch zahllosen anderen Opfern von sexueller Gewalt eine Stimme – laut, deutlich und unverblümt.
„Ich bin Gisèle Pélicot“ – Der Mut, sich nicht zu verstecken
„Ich möchte, dass man mich Gisèle Pélicot nennt“, erklärte sie fest vor Gericht. Diese öffentliche Bekennung zu ihrem vollen Namen – eine Geste der Solidarität mit ihren Kindern – markierte einen symbolischen Wendepunkt. Ihre Entscheidung, sich der Welt zu zeigen, trotz der entsetzlichen Details ihres Leidens, hat viele Menschen tief berührt. Internationale Medien berichteten umfangreich über den Prozess und verbreiteten ihre Worte rund um den Globus. „Sie haben mich wie eine Stoffpuppe behandelt, wie einen Müllsack“, zitiert die spanische Zeitung El Mundo.
Der britische Guardian druckte ihre Aussage: „Ich wurde auf dem Altar des Lasters geopfert“, und auch der New York Times entging ihre Botschaft nicht: „Vielleicht erinnern sich andere Frauen, wenn sie aufwachen und nichts mehr wissen, an die Worte von Frau Pélicot.“ Diese Worte hallen weit über den Gerichtssaal hinaus – ein Appell an alle Opfer von chemischer Unterwerfung und sexueller Gewalt, dass sie nicht alleine sind.
Ein Prozess von historischer Bedeutung
Der „Mazan-Vergewaltigungsprozess“ ist nicht nur wegen der erschreckenden Zahl der Angeklagten einzigartig – darunter Männer aus verschiedensten Berufsgruppen wie Feuerwehrleute, Journalisten und Gefängniswärter. Es ist Gisèle Pélicots öffentliche und unerschütterliche Präsenz, die dem Verfahren eine Dimension verleiht, die weit über die üblichen rechtlichen Prozesse hinausgeht.
Von den 51 Angeklagten haben nur 14 die Taten zugegeben. Drei von ihnen entschuldigten sich vor Gericht bei Gisèle Pélicot. Doch ihre Reaktion war scharf und prägnant: „Übernehmen Sie wenigstens einmal in Ihrem Leben Verantwortung für Ihre Taten.“ Eine Frau, die fast zehn Jahre lang im Dunkeln gelitten hat, tritt nun an die Spitze des Kampfes um Gerechtigkeit und sendet ein klares Signal – das Ende des Schweigens.
Unterstützung aus aller Welt
Während Gisèle Pélicot unermüdlich Zeugnis ablegt, erhält sie Unterstützung von allen Seiten. Nicht nur ihre Familie steht geschlossen hinter ihr, auch feministische Gruppen und sogar prominente Persönlichkeiten haben sich solidarisiert. Im Gerichtssaal bedankten sich Aktivistinnen persönlich bei ihr dafür, dass sie sich gegen ein Verfahren hinter geschlossenen Türen entschieden hat.
Eine besondere Geste der Solidarität kam auch von der ehemaligen Reality-TV-Ikone Nabilla, die eine Online-Spendenkampagne ins Leben rief, um Gisèle Pélicot finanziell zu unterstützen. Doch in einer weiteren symbolischen Handlung bat Gisèle Pélicot darum, die Spendenkampagne wieder einzustellen – sie wolle die Würde und Ernsthaftigkeit des Prozesses wahren.
Ihre Botschaft ist klar: Es geht nicht um Geld oder Ruhm, sondern um Gerechtigkeit, um die Wahrheit und darum, ein für alle Mal das Schweigen zu brechen.
Ein internationales Symbol des Widerstands
Gisèle Pélicot hat sich längst zu einem Symbol des Widerstands gegen sexuelle Gewalt entwickelt. Der Vergleich mit einer „Boxerin“, den sie selbst zog, beschreibt treffend ihre Haltung: Entschlossen und bereit, jeden Schlag abzufangen, um letztlich als Siegerin aus dem Ring zu steigen. Autorin Lola Lafon verglich sie mit olympischen Athletinnen, die mit ihrem Mut und ihrer Entschlossenheit die Welt inspirierten. Genau das tut Gisèle Pélicot – sie inspiriert, sie kämpft und sie gibt nicht auf.
Die Journalistin Hélène Devynck schrieb in einer Kolumne in der Zeitung Le Monde: „Chère Gisèle Pélicot, Sie sind durch die große Tür in unser Leben getreten, genauso wie in den Gerichtssaal von Avignon. Sie gehen aufrecht, mit erhobenem Kopf.“ Worte, die den tiefen Respekt für eine Frau ausdrücken, die ihre eigene Verletzlichkeit in eine Waffe der Stärke verwandelt hat.
Der Weg nach vorne
Obwohl Gisèle Pélicot plant, nach dem Prozess ihren Mädchennamen wieder anzunehmen, wird ihr jetziger Nachname in die Geschichte eingehen. Der Name „Pélicot“ wird nicht länger mit Scham oder Angst in Verbindung gebracht, sondern mit Stärke und Mut.
Der Prozess ist noch nicht zu Ende, aber eines ist klar: Gisèle Pélicot hat bereits gewonnen – den Kampf um ihre Würde und den um die Macht des Wortes.
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