Tag & Nacht




Zwischen Mittelmeer und Pyrenäen, wo das Klima heißer wird und die Böden vielerorts müde sind, entsteht eine stille, aber tiefgreifende Transformation. In den Pyrénées-Orientales entwickelt sich eine Bewegung, die den Ackerbau grundlegend verändern könnte – leise, aber wirksam. Das Stichwort: „Maraîchage sur sol vivant“, also Gemüseanbau auf lebendigem Boden.

Was nach romantischer Agrarutopie klingt, ist in Wahrheit ein innovativer und praxisnaher Weg zu nachhaltiger Landwirtschaft. Hier wird nicht einfach nur geerntet – hier wird regeneriert, belebt, aufgebaut.

Ein Mann, ein Ziel, ein gesunder Boden

Einer, der diese Bewegung mit Leben füllt, ist André Trives. Seit 2017 betreibt er in Elne südlich von Perpignan einen Betrieb, der mittlerweile als Referenz für Bodenaufbau gilt. Als er anfing, glich sein Land eher einem verdichteten Parkplatz als fruchtbarem Acker. Heute? Lebendiger Humus, Würmer, Wurzeln – kurz: Leben unter den Füßen.

Durch die gezielte Zufuhr von organischem Material wie Holzhäcksel und Mist sowie das gezielte Anpflanzen von vielfältigen Zwischenfrüchten konnte Trives den Humusgehalt seines Bodens von 1,2 auf unglaubliche 18 Prozent steigern. Das Ergebnis? Der Wurmbestand explodierte – von 200 Kilo auf vier Tonnen pro Hektar. Und das Wasser? Statt 10.000 Kubikmeter pro Jahr braucht Trives heute nur noch 6.800 – bei gleichbleibendem Ertrag.

Eine kleine Revolution – still, aber mit Wucht.

Vom Hof hinaus in die Region

Doch Trives denkt größer. Gemeinsam mit Gleichgesinnten gründete er 2022 Terradelviu, ein Projekt mit Strahlkraft. Ziel: verwahrloste Flächen in produktive, gesunde Lebensräume verwandeln. Und zwar nicht mit Chemie, sondern mit Konzepten wie Permakultur, Agroforstwirtschaft und dem gezielten Einsatz regenerativer Techniken.

Terradelviu kooperiert mit Gemeinden, Grundstückseigentümern und bringt dabei das Beste aus zwei Welten zusammen: Natur und Unternehmertum. Das Unternehmen produziert hochwertige Lebensmittel – allesamt auf lebendigem Boden gewachsen und mit sorgsam ausgewähltem Saatgut. Die Nachfrage steigt. Und das Vertrauen in diese Art des Anbaus wächst mit.

Klein, aber oho: Lou Panades

Noch ein Beispiel aus der Region: die Mikro-Farm Lou Panades in Saint-Hippolyte. Keine Maschinen, keine Chemie, keine künstlichen Dünger. Und trotzdem – oder gerade deshalb – liefert sie das ganze Jahr über prall gefüllte Gemüsekörbe. Direkt vom Acker auf den Tisch, ohne Umweg über Konzerne oder Großmärkte.

Diese Farm zeigt, dass eine ökologisch und wirtschaftlich tragfähige Landwirtschaft auch im Kleinformat funktionieren kann. Und sie beweist: Der Verzicht auf industrielle Methoden ist kein Rückschritt – sondern ein Fortschritt in die richtige Richtung.

Natürlich gibt’s Hürden – aber keine unüberwindbaren

Der Weg zum lebendigen Boden ist kein Selbstläufer. Die Umstellung braucht Zeit, Know-how, Geld. Nicht jeder Bauer kann von heute auf morgen alles ändern. Und genau deshalb sind Netzwerke wie Terradelviu oder der Austausch mit anderen Akteuren so entscheidend.

Aber: Wer einmal die ersten Schritte geht, bekommt schnell Feedback – direkt aus dem Boden. Die Natur reagiert. Und sie belohnt. Mit weniger Abhängigkeit von externen Inputs, mit stabileren Erträgen, mit gesunden Pflanzen. Und am Ende auch mit einem guten Gefühl.

Ein Modell mit Zukunft

Die Projekte in den Pyrénées-Orientales zeigen eindrucksvoll, dass lokale Initiativen eine globale Wirkung entfalten können. Im Kampf gegen Klimawandel, Bodenerosion und den Verlust der Artenvielfalt brauchen wir keine Patentlösungen aus Laboren – sondern echte Veränderungen auf dem Feld.

Wer hätte gedacht, dass eine Handvoll Regenwürmer zum Symbol für Hoffnung wird?

Von C. Hatty

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