Klimawandel ist nicht nur eine abstrakte Bedrohung – er zeigt sich direkt in den Wänden und Böden der Menschen. In Aix-les-Bains, einer malerischen Stadt in der Savoie, erleben Hausbesitzer ein wachsendes Problem: Ihre Häuser reißen, kippen und senken sich ab.
Warum? Weil sie auf unsicherem Grund gebaut wurden – buchstäblich.
Wenn das Zuhause langsam absackt
Michel, ein Anwohner, kann das jeden Tag mit eigenen Augen sehen. Sein Fußboden ist nicht mehr eben, seine Wände zeigen Risse, die immer größer werden. Ein einfacher Test mit der Wasserwaage zeigt das Problem drastisch: Damit eine Linie wieder horizontal verläuft, muss das Gerät um zwei Zentimeter angehoben werden. Zwei Zentimeter mögen nicht nach viel klingen, doch wenn ein gesamtes Haus betroffen ist, wird es schnell zum Alptraum.
„Natürlich macht uns das Sorgen“, sagt Marc, ein anderer Anwohner. „Aber was sollen wir tun? Wir haben nicht das Geld, um eine neue Immobilie zu kaufen oder größere Reparaturen durchzuführen.“
Ein Satz, der nachhallt. Denn wie viele Menschen können es sich leisten, ihr Eigenheim einfach aufzugeben?
Die vergessene Altlast unter den Häusern
Das Problem ist nicht neu. Schon in den 1980er-Jahren wurde in der Gegend ein komplettes Wohnviertel errichtet – auf einer ehemaligen Müllkippe aus den 1960ern. Der Boden, einst eine feuchte Senke, wurde damals mit allen möglichen Abfällen aufgefüllt. Jahrzehnte später zeigt sich das Ausmaß dieser Entscheidung.
Michel zeigt auf eine Stelle mitten im Viertel, wo der Boden abgesackt ist. „Hier gibt es einen Höhenunterschied von 50 Zentimetern“, erklärt er. Eine halbe Meter tiefer – als würde der Boden langsam verschwinden.
Von den 37 Häusern im Viertel sind sechs besonders stark betroffen. Ihre Fundamente geraten ins Wanken, weil der Untergrund nachgibt.
Klimawandel als unsichtbarer Faktor
Die Erderwärmung verschärft das Problem zusätzlich. Langanhaltende Dürreperioden lassen den Boden austrocknen und schrumpfen – besonders dort, wo tonhaltige Böden dominieren. Wenn dann wieder Regen fällt, dehnt sich der Boden erneut aus. Diese ständigen Bewegungen setzen den Gebäuden enorm zu.
In vielen Regionen Frankreichs, aber auch in Deutschland, Italien oder Spanien, berichten Menschen von ähnlichen Schäden. Die Kombination aus alten Bausünden und einem sich verändernden Klima macht es unmöglich, einfach zur Tagesordnung überzugehen.
Was bleibt den betroffenen Hausbesitzern?
Zwischen Hoffnung und Ohnmacht
Für viele bleibt nur das Prinzip Hoffnung. Einige versuchen, durch kleinere Reparaturen die Risse zu schließen, andere kämpfen um finanzielle Unterstützung von der Regierung. Doch selbst wenn Entschädigungen fließen, bleibt die Frage: Wie lange können Häuser auf unsicherem Boden noch stehen?
Die Realität ist hart: Wer in solchen Häusern lebt, hat oft keine Wahl. Der Immobilienmarkt macht es schwer, ein anderes Zuhause zu finden, und nicht jeder kann es sich leisten, sein gesamtes Leben umzukrempeln.
Doch eines ist klar: Die Kombination aus Klimawandel und historischen Baufehlern wird in den kommenden Jahren noch mehr solcher Tragödien hervorbringen.
Von Andreas M. B.
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