Tag & Nacht


Man muss es wohl einmal ganz deutlich sagen: Eine Dienstwaffe ist kein Machtsymbol. Kein Knopf zur Durchsetzung der eigenen Autorität. Und schon gar kein Mittel, um flüchtende Menschen zu exekutieren.
Sie ist ein allerletztes Mittel – zur Verteidigung des eigenen Lebens. Nicht mehr. Nicht weniger.

Doch in Frankreich scheint diese Linie immer öfter zu verschwimmen. Ein junger Mann fährt davon – und stirbt. Er gehorcht nicht – und stirbt. Er wird zum Problem – und stirbt. Zyed B., Nahel Merzouk, andere vor ihnen, andere nach ihnen. Was sie verbindet? Dass sie nicht mehr sprechen können. Nur die Kugeln sprechen weiter.

Natürlich: Polizisten haben einen gefährlichen Job. Sie treffen in Sekunden Entscheidungen, die über Leben und Tod bestimmen. Das verdient Respekt – aber keinen Freifahrtschein.

Denn wenn derjenige, der das Gewaltmonopol besitzt, nicht mehr klar zwischen Schutz und Strafe unterscheidet, wird der Staat zur Bedrohung. Und genau das spüren viele Menschen – vor allem junge Männer in den Banlieues, die längst nicht mehr an Gerechtigkeit glauben.

Was ist aus dem Versprechen geworden, dass jeder Mensch gleich viel wert ist? Dass kein Leben – wirklich keins – leichtfertig ausgelöscht werden darf?

Wer heute wegsieht, wenn ein Schuss fällt, nur weil das Opfer „vorbestraft“ war oder „nicht angehalten hat“, sollte sich fragen: Wessen Tod wäre für uns noch bedauerlich genug, um Konsequenzen zu ziehen?

Der bevorstehende Prozess gegen den Polizisten in Nizza ist nicht nur ein juristischer Akt. Er ist ein Test für unsere Gesellschaft. Für unseren Mut, die Wahrheit zu sehen. Und für die Polizei – zu erkennen, dass Stärke manchmal bedeutet, nicht zu schießen.

Wer in Uniform unterwegs ist, hat keine Lizenz zum Töten. Sondern eine Verantwortung zu schützen. Und zwar alle.

Ein Kommentar von C. Hatty

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