Sieben bekannte Billigfluggesellschaften stehen unter schwerem Beschuss. EasyJet, Norwegian, Ryanair, Transavia, Volotea, Vueling und Wizz Air sollen sich durch eine Praxis bereichert haben, die viele Reisende nur zu gut kennen – und die eigentlich verboten ist: die kostenpflichtige Mitnahme von Handgepäck. Ein europaweites Bündnis aus 16 Verbraucherschutzorganisationen, darunter die französischen Gruppen UFC-Que Choisir und CLCV, hat nun die EU-Kommission und nationale Behörden alarmiert.
Kostenfalle im Gepäckfach
Wer heute mit einer dieser Low-Cost-Airlines fliegt, braucht nicht nur Nerven, sondern oft auch ein extra dickes Portemonnaie. Denn der kleine Trolley oder die Tasche, die früher selbstverständlich ins Flugzeug mitgenommen werden durfte, wird nun zur Zusatzoption – mit deftigen Preisen. Zwischen 23 Euro bei Volotea und stolzen 43 Euro bei EasyJet werden fällig. Ryanair liegt mit 36 Euro ebenfalls im oberen Bereich. Und wehe, das Gepäckstück sprengt die erlaubten Maße – dann können bei Vueling Strafgebühren von bis zu 280 Euro anfallen. So wird das Handgepäck schnell zur Goldgrube.
Widerrechtlich kassiert?
Das lassen sich die Verbraucherschützer nicht länger gefallen. Sie berufen sich auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2014, dem zufolge Handgepäck – solange es sich im Rahmen des Zumutbaren bewegt – nicht extra kosten darf. Das bedeutet: Keine Zusatzgebühren für ein Gepäckstück, das leicht, klein und sicher ist. Diese Rechtsprechung soll den Verbrauchern Schutz bieten – und den Airlines klare Grenzen setzen. Doch offenbar gehen einige Fluglinien kreativ mit diesen Vorgaben um.
Spanische Behörden gingen bereits voran
In Spanien ist man bereits einen Schritt weiter. Dort griff das Verbraucherschutzministerium Ende 2024 durch und verdonnerte fünf der beschuldigten Airlines zu einer Strafe von insgesamt 179 Millionen Euro. Auch in diesem Fall ging es um unrechtmäßige Gebühren für Handgepäck. Dieses Vorgehen hat europaweit für Aufsehen gesorgt und gibt Rückenwind für die aktuelle Beschwerdewelle.
EU-Regeln auf dem Prüfstand
Parallel zur Beschwerde rollt auf europäischer Ebene eine Debatte über die Reform der Passagierrechte. Ein Thema: Welche Leistungen sollten im Flugpreis enthalten sein? Klarheit ist gefragt – vor allem, wenn es um Alltägliches wie Handgepäck geht. Die Verbraucherschützer wollen einheitliche Regeln und ein Ende des Tarifsalats, bei dem niemand mehr durchblickt. Denn was bringt ein günstiger Flug, wenn die Zahnbürste extra kostet?
Die Airlines verteidigen sich
Ryanair hat sich als Erste zu Wort gemeldet – und bleibt hart. Man halte sich an europäisches Recht, heißt es. Auch Norwegian sieht sich im grünen Bereich. Die anderen Fluglinien schweigen noch. Für sie steht jedoch einiges auf dem Spiel: Vertrauen, Image – und nicht zuletzt Millionen an potenziellen Strafzahlungen.
Reisende als Leidtragende
Während sich Gerichte, Behörden und Airlines streiten, stehen die Passagiere im Regen. Viele fühlen sich überrumpelt – oder schlichtweg betrogen. Denn wer einen günstigen Flug bucht, merkt oft erst beim Check-in, dass das vermeintliche Schnäppchen teuer wird. Ist das noch fairer Wettbewerb – oder reine Abzocke?
Europa braucht klare Kante
Die Verbraucherschützer hoffen nun, dass die EU-Kommission nicht lange zögert. Denn was es braucht, ist ein Regelwerk mit Biss – verständlich, einheitlich und im Sinne der Verbraucher. Handgepäck darf nicht zur lukrativen Nebenverdienstquelle verkommen. Und Reisende sollten sich darauf verlassen können, dass ein Ticket auch wirklich ein Ticket ist – nicht bloß eine Eintrittskarte in ein Dickicht an Zusatzkosten.
Europa ist jetzt am Zug.
Von Andreas M. Brucker
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