Ein bislang beispielloser Konflikt zwischen der US-Regierung und der traditionsreichen Harvard University wirft ein grelles Licht auf die zunehmende politische Instrumentalisierung von Bildungseinrichtungen. Mit der Blockade von über 2,2 Milliarden US-Dollar an Bundesmitteln hat die Regierung von Donald Trump einen offenen Schlag gegen eine der angesehensten Universitäten des Landes geführt – und damit eine Grundsatzdebatte über Freiheit und Einflussnahme in der akademischen Welt neu entfacht.
Am Ursprung des Konflikts steht eine Liste weitreichender Forderungen, die das Bildungsministerium unter Trump an die Universität stellte. Diese reichten von der Abschaffung diversitätsbezogener Programme über die Überarbeitung von Zulassungskriterien bis hin zum Verbot bestimmter studentischer Gruppen. Harvard wies die Forderungen mit Nachdruck zurück – mit Verweis auf die verfassungsmäßig garantierte akademische Freiheit.
Die neue Linie Washingtons
Die Entscheidung, Bundesmittel für Harvard einzufrieren, ist Teil einer breit angelegten Kampagne der Trump-Administration, die sich gezielt gegen die ideologischen Strukturen an Eliteuniversitäten richtet. Im Mittelpunkt steht dabei insbesondere die Kritik an sogenannten DEI-Programmen – Initiativen zur Förderung von Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion. Diese Programme seien, so das Argument aus Washington, zunehmend zu Vehikeln einer „woken Ideologie“ geworden, die politische Neutralität und akademische Exzellenz untergrabe.
Das Bildungsministerium begründete die Maßnahme mit der Notwendigkeit, Antisemitismus auf dem Campus zu bekämpfen. Tatsächlich verweist ein Teil der Forderungen auf den Umgang mit pro-palästinensischen Gruppen und antisemitischen Vorfällen, die im Zuge des Gaza-Kriegs verstärkt an US-Campusse gemeldet wurden. Doch die Liste reicht weit darüber hinaus – sie umfasst auch Aufforderungen zur Zusammenarbeit mit Einwanderungsbehörden, zur Einschränkung studentischer Versammlungsfreiheit und zur Kontrolle von Meinungsäußerungen.
Harvards entschlossene Gegenwehr
Harvard-Präsident Alan Garber reagierte mit ungewöhnlicher Deutlichkeit. In einer öffentlichen Erklärung verteidigte er die institutionelle Unabhängigkeit der Universität und warf der Regierung vor, mit ihren Maßnahmen eine politische Agenda durchsetzen zu wollen. „Unsere Lehrfreiheit und unsere akademischen Standards stehen nicht zur Disposition“, erklärte Garber. Es sei nicht Aufgabe des Staates, über Zulassungsrichtlinien oder Forschungsprogramme zu bestimmen.
Garbers Stellungnahme traf auf breite Unterstützung. Ehemalige US-Präsidenten, darunter Barack Obama und George W. Bush, prominente Alumni, Bürgerrechtsgruppen sowie zahlreiche Hochschulrektoren anderer Universitäten äußerten ihre Solidarität mit Harvard. Die American Association of University Professors reichte unterdessen Klage beim Bundesgericht ein – mit dem Argument, dass der Entzug von Bundesmitteln eine Verletzung des First Amendment der US-Verfassung darstelle.
Eine politisierte Hochschulpolitik
Dass der Vorfall kein Einzelfall ist, zeigt der Blick auf weitere Eliteuniversitäten: Auch Columbia, Princeton und Cornell wurden in den letzten Monaten mit ähnlichen Maßnahmen konfrontiert. Die Regierung scheint gezielt Hochschulen ins Visier zu nehmen, die für liberale Werte, Internationalität und progressive Studiengänge stehen. Diese Entwicklung ist eingebettet in eine breitere konservative Offensive gegen das, was rechte Politiker als „linke Indoktrination“ an Universitäten bezeichnen.
Doch Kritiker warnen vor den Folgen. Die Verbindung staatlicher Förderung an ideologische Vorgaben untergrabe nicht nur die Freiheit der Lehre, sondern auch die Innovationskraft der amerikanischen Hochschullandschaft insgesamt. In einer Stellungnahme der Association of American Universities heißt es: „Wenn politische Machthaber entscheiden, welche Inhalte gelehrt werden dürfen, verlieren Universitäten ihre gesellschaftliche Funktion als Orte freier Debatte und kritischen Denkens.“
Juristische und gesellschaftliche Brisanz
Die Auseinandersetzung könnte bald die höchsten Gerichte des Landes beschäftigen. Beobachter erwarten, dass sich der Supreme Court früher oder später mit der Frage auseinandersetzen wird, inwieweit die Regierung Bedingungen an Bundesfördermittel knüpfen darf, ohne gegen verfassungsmäßige Prinzipien zu verstoßen. Bereits 1987 hatte das Gericht im Fall South Dakota v. Dole entschieden, dass solche Bedingungen nicht „unangemessen druckvoll“ sein dürfen.
Auch international stößt der Fall auf Aufmerksamkeit. Europäische Universitäten beobachten mit Sorge, wie sich politische Macht und Bildungsinstitutionen in den USA zunehmend gegenüberstehen. In einem Kommentar der britischen „Times Higher Education“ heißt es: „Die Entwicklung in den Vereinigten Staaten könnte eine Blaupause für ähnliche Bestrebungen in anderen Ländern liefern – insbesondere dort, wo populistische Regierungen versuchen, Wissenschaft unter ideologische Kontrolle zu bringen.“
Währenddessen geht das Ringen in Cambridge weiter. Auf dem Campus haben sich Studierende und Fakultätsangehörige zu Protesten und Diskussionsforen zusammengeschlossen. Es geht dabei längst nicht mehr nur um Finanzen, sondern um die grundlegende Frage, was eine Universität in einer freien Gesellschaft ausmacht – und wer darüber entscheidet.
Autor: MAB
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