Tag & Nacht

Es gibt Momente, da lässt uns die Natur unmissverständlich wissen, dass sie die Regeln macht – und genau so ein Moment ereignet sich aktuell in Frankreich. Die Wetterlage rund um die Depression Herminia sorgt in weiten Teilen des Landes für chaotische Szenen, dramatische Evakuierungen und historische Niederschlagsrekorde. Météo-France hat am Dienstag die Warnstufe Rot für die Départements Loire-Atlantique und Morbihan ausgerufen. Die Anspannung steigt, während auch das Wasser unaufhörlich steigt.


Rote Warnstufe: Das bedeutet höchste Alarmbereitschaft

Die Départements Loire-Atlantique und Morbihan gesellen sich nun zu Ille-et-Vilaine, das bereits seit Montag in der höchsten Warnstufe verweilt. Insbesondere die Flüsse Seiche und Vilaine stehen im Fokus. Der nationale Wetterdienst warnt vor außergewöhnlich hohen Wasserständen, die in den betroffenen Gebieten zu gefährlichen Überschwemmungen führen könnten.

In der Region Bretagne, insbesondere rund um die Stadt Rennes, ist die Lage ernst. Seit über 40 Jahren gab es hier keine derartig gravierenden Hochwasserereignisse mehr. Was die Situation verschärft: Der Januar 2025 ist bereits jetzt der regenreichste Januar seit Beginn der Wetteraufzeichnungen 1944 – beeindruckende 169,6 Millimeter Niederschlag wurden registriert. Das ist dreimal mehr Regen als üblich. Keine Frage, Herminia hat ihre Spuren hinterlassen.


Überflutungen in Rennes: Eine Stadt unter Wasser

Rennes, das Herz der Bretagne, erlebt eine dramatische Situation. Zwei Flüsse, Ille und Vilaine, durchziehen die Stadt – und beide haben sich zu reißenden Strömen verwandelt. Seit Sonntag, dem Tag, an dem Herminia auf die Region traf, steigt der Pegel unaufhörlich. Die Bewohner sprechen von Zuständen, die sie noch nie zuvor erlebt haben.

„Es ist unglaublich, wie schnell das Wasser gekommen ist“, erzählt eine Anwohnerin aus dem kleinen Ort Le Pont de Seiche. „Der Nachbar hat schon 70 Zentimeter Wasser im Haus!“ Ihre Stimme klingt resigniert, während sie ihre Habseligkeiten in ein kleines Auto packt – was noch gerettet werden kann, muss raus.


Evakuierungen und Notunterkünfte

Die örtlichen Behörden sind in höchster Alarmbereitschaft. Am Montagabend musste ein Altenpflegeheim in Bruz evakuiert werden – 73 Bewohner wurden in Sicherheit gebracht. Ähnlich wie in anderen Regionen wurden für Betroffene Notunterkünfte eingerichtet, unter anderem in Turnhallen. Die Stadt Rennes hat zusätzlich Sandsäcke verteilt, damit sich Anwohner zumindest notdürftig gegen die Wassermassen schützen können.

Man könnte sich fragen: Warum treffen uns solche Wetterextreme immer häufiger? Die Antwort darauf ist ebenso komplex wie beunruhigend.


Klimawandel als Ursache?

Was wir aktuell in der Bretagne erleben, ist kein isoliertes Ereignis. Es reiht sich ein in eine Serie von Extremwetterlagen, die Europa und die Welt in den letzten Jahren heimgesucht haben. Wissenschaftler sind sich einig: Der Klimawandel verstärkt die Intensität und Häufigkeit solcher Phänomene.

Warme Luft kann mehr Feuchtigkeit speichern – das führt zu stärkeren Regenfällen, wenn die Feuchtigkeit schließlich abregnet. Im Fall von Herminia kamen gleich zwei Faktoren zusammen: Der Boden war durch vorausgegangene Regenfälle bereits gesättigt, und die Depression selbst brachte enorme Mengen an Wasser mit sich.

Klimaforscher warnen seit Jahren vor solchen Szenarien, doch es bleibt die Frage: Wie gut sind wir darauf vorbereitet?


Hoffnung und Herausforderungen

Die gute Nachricht: Frankreich hat eines der am besten organisierten Hochwasserwarnsysteme in Europa. Dienste wie Vigicrues, die kontinuierlich Pegelstände überwachen, helfen dabei, rechtzeitig zu warnen. Doch die Herausforderung bleibt, die Schäden zu minimieren und betroffene Menschen schnell zu unterstützen.

Beispiel gefällig? In der Loire-Atlantique mussten Feuerwehrleute Dutzende Menschen aus ihren Häusern evakuieren – teils mit Booten. Währenddessen kämpften andere Einsatzkräfte gegen überflutete Straßen und Keller. In einigen Dörfern standen ganze Viertel unter Wasser.

Auch in Redon, einer Stadt südlich von Rennes, blickt man mit Sorge auf die kommenden Stunden. Hier wird der Scheitelpunkt der Flutwelle erst in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch erwartet – „niveaux exceptionnels“, also außergewöhnliche Pegelstände, sagen die Experten.


Ein Blick nach vorn

Während die Bretagne kämpft, scheint sich die Lage in anderen Regionen leicht zu entspannen. In der Normandie und den Pays de la Loire – wo ebenfalls Flüsse wie die Orne und Oudon angeschwollen sind – erwarten die Behörden zumindest keine weiteren Verschärfungen.

Doch die betroffenen Menschen wissen: Selbst wenn das Wasser zurückgeht, wird der Wiederaufbau Monate dauern. Der emotionale Schaden, die verlorenen Erinnerungen und die wirtschaftlichen Verluste sind oft schwer zu beziffern.

Und trotzdem bleibt Hoffnung. Warum? Weil solche Ereignisse auch Solidarität wecken. Nachbarn helfen sich gegenseitig, Freiwillige leisten unermüdlich Hilfe, und die Gesellschaft erkennt: Wir sitzen alle im selben Boot – wortwörtlich.


Eine Lehre für die Zukunft

Was können wir aus Herminia lernen? Extremwetterlagen sind kein Zukunftsproblem mehr, sie sind unsere Gegenwart. Anpassungsstrategien sind entscheidend, um besser vorbereitet zu sein. Dazu gehören moderne Hochwasserschutzmaßnahmen, kluge Stadtplanung und – ja, auch ein globaler Schulterschluss im Kampf gegen den Klimawandel.

Doch letztlich ist es auch eine Frage der sozialen Gerechtigkeit. Es sind oft die sozial schwächeren Bevölkerungsgruppen, die solche Katastrophen am härtesten treffen – weil ihre Häuser weniger gut abgesichert sind oder weil sie weniger Ressourcen haben, um Verluste auszugleichen.

Wenn wir wirklich vorankommen wollen, müssen wir Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit zusammendenken. Denn das eine funktioniert nicht ohne das andere.


Was bleibt? Herminia ist ein weiteres Beispiel dafür, wie verletzlich unsere Welt geworden ist. Aber es zeigt auch, wie wichtig Zusammenhalt ist – sowohl auf lokaler als auch auf globaler Ebene.

Krisen wie diese sind eine Mahnung, dass wir dringend handeln müssen. Die gute Nachricht ist: Wir können etwas tun. Aber dazu braucht es Mut, Entschlossenheit und den Willen, gemeinsam an einer besseren Zukunft zu arbeiten. Wer sagt, dass wir das nicht schaffen können?


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