Tag & Nacht




Die französische Landwirtschaft erlebt in diesem Sommer einen Stresstest, der fast biblische Züge trägt. Temperaturen jenseits der 40 Grad, monatelang kein nennenswerter Regen – und ein Boden, der mehr Staub als Leben birgt. Für die Landwirte ist das kein meteorologischer Ausnahmezustand mehr, sondern bittere Realität. Und sie stehen nicht nur in der Sonne, sondern sprichwörtlich mit dem Rücken zur Wand.

Die Felder erzählen dieser Tage Geschichten von Durst. Maispflanzen, die in der kritischen Blütezeit auf Wasser warten, als käme es noch. Blätter, eingerollt wie schützende Fäuste, Ähren, die nicht prall, sondern leer reifen. In manchen Regionen beginnt die Ernte früher – nicht, weil die Natur schneller gearbeitet hätte, sondern weil sie sonst gar nichts mehr hergäbe. Wer erntet, erntet oft minderwertige Ware und damit auch weniger Einkommen.

Auch in den Ställen ist es stiller geworden. Kühe fressen weniger, geben weniger Milch. Schafe und Ziegen suchen Schatten, den es kaum gibt. Die Weiden sind gelb und karg, als hätte jemand das Leben aus ihnen gepustet. Viele Betriebe greifen jetzt schon auf Winterfutter zurück – eine Art vorgezogener Notration, die den kommenden Monaten ihre eigene Bedrohung einbaut.

Wasser wäre die naheliegende Antwort. Doch Wasser ist plötzlich Luxusgut. Bewässerung wird eingeschränkt, der Preis steigt, und so mancher Bauer steht vor der Entscheidung: Schulden aufnehmen, um zu retten, was noch zu retten ist – oder zusehen, wie die Ernte verdorrt. Manche wählen den zweiten Weg, weil der erste ins wirtschaftliche Aus führen könnte.

Die Regierung reagiert mit Hilfspaketen, Entschädigungen, neuen Arbeitsschutzregeln für Hitzeperioden. Doch auf den Feldern klingt das wie ein fernes Echo. Die Unterstützung lindert, aber sie heilt nicht. Der Ruf nach langfristigen Strategien ist laut – und bislang nur schwach beantwortet.

Dabei liegen Ideen auf dem Tisch. Agrivoltaik etwa: Solarmodule über den Feldern, die gleichzeitig Energie liefern und Schatten spenden. Neue, hitzeresistente Sorten. Bodenmanagement, das Wasser speichert wie ein Tresor. Doch all das kostet – und braucht nicht nur Mut der Landwirte, sondern auch den entschlossenen Willen der Politik, diese Transformation zu tragen.

Denn was auf dem Spiel steht, ist weit mehr als die Jahresernte. Es geht um die Ernährungssicherheit eines Landes, um Lebensgrundlagen, die über Generationen gewachsen sind. Wenn sich die Landwirtschaft nicht anpassen kann, wird nicht nur der Bauer verlieren, sondern auch der Verbraucher – und zwar dauerhaft.

Vielleicht ist dieser Sommer ein Wendepunkt. Vielleicht ist er der Moment, an dem wir begreifen, dass Klimawandel keine ferne Zukunftsbedrohung ist, sondern schon heute unser Brot bestimmt. Die Hitze mag in ein paar Wochen abflauen. Aber die Frage, wie wir mit einer immer extremeren Natur umgehen, bleibt – und sie drängt.

Von Andreas M. Brucker

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