Tag & Nacht




Mal ehrlich – wann hast du das letzte Mal einem Jugendlichen wirklich zugehört? Ich meine nicht so ein beiläufiges „Und, wie läuft’s in der Schule?“ zwischen Tür und Angel. Sondern richtig. Mit offenem Ohr. Mit echtem Interesse.

Heute ist Europäischer Tag der Jugendinformation. Klingt trocken, oder? So nach Behördenflyer, nach Formulare und Paragraphen. Aber für viele junge Menschen ist das hier mehr als nur ein Kalendereintrag. Es ist ein Aufschrei. Eine Bitte. Ein verdammter Notruf: „Sagt mir, wo ich Antworten finde – und hört auf, mich ständig zu belehren!“

Denn was nützen all die Infos dieser Welt, wenn keiner sie richtig versteht? Was bringen Beratungsangebote, wenn sie nur auf Insta beworben werden, aber keiner erklärt, was ein BAföG-Antrag überhaupt bedeutet? Und was soll ein Jugendportal, wenn man dort nicht mal über Angst, Depression oder Druck sprechen darf, ohne gleich abgestempelt zu werden?

Das Problem ist nicht der Mangel an Informationen – sondern das Schweigen dazwischen

Ich erinnere mich an ein Gespräch mit einem 16-Jährigen aus meiner Nachbarschaft. Smart, freundlich, sportlich. Aber ratlos. Er wollte raus – ins Ausland, was erleben, sich entwickeln. Aber er wusste nicht, wie er das finanzieren sollte. Und noch schlimmer: Er wusste nicht, wen er fragen kann. Kein Lehrer hatte Zeit. Seine Eltern waren überfordert. Und er? Stand da mit seinem Handy – zwischen Motivationsvideos und Verschwörungsposts.

Es sind diese Momente, die mich wütend machen.

Nicht auf ihn. Sondern auf uns.

Was wir Jugendinformation nennen, ist oft nur gut gemeinte Theorie

Was fehlt, ist Haltung. Mut. Verlässlichkeit. Es reicht nicht, einmal im Jahr Plakate aufzuhängen und ein paar Hashtags zu posten. Jugendliche brauchen Menschen. Ansprechpartner. Orte, an denen sie ihre Fragen nicht erklären müssen, weil sie dort selbstverständlich gestellt werden dürfen.

Jugendinformation darf keine Dienstleistung auf Abruf sein. Sie muss Beziehung bedeuten. Zuhören. Aushalten. Und ja – manchmal auch aushalten, dass die Fragen unangenehm sind. Weil sie ehrlich sind.

Was wäre, wenn wir uns trauen würden, einfach mal zu sagen: „Ich weiß es nicht, aber ich finde es mit dir raus“?

Das ist keine Schwäche. Das ist Nähe.

Und genau darum geht es: Nähe statt Distanz. Vertrauen statt Bürokratensprech. Und echte Begegnung statt leerer Informationswüsten.

Also bitte – wenn du das hier liest und irgendwie Einfluss hast, ob in Schule, Jugendarbeit, Politik oder einfach im eigenen Umfeld: Warte nicht auf die nächste Info-Kampagne. Sei selbst die Person, die Fragen zulässt. Die sagt: „Komm, ich hör dir zu.“ Und nicht nur am 17. April.

Denn jeder Tag, an dem ein junger Mensch eine Antwort findet, die ihn stärkt – ist ein verdammt guter Tag.

Von Andreas M. Brucker

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