Die Sonne brennt gnadenlos auf Frankreich herab.
Am Montag, dem 30. Juni, verzeichnete das Land Temperaturen, die für einen Juni bisher undenkbar schienen. In über zehn Départements kletterte das Thermometer über die 40-Grad-Marke. Den traurigen Spitzenwert erreichte Vinsobres in der Drôme mit 41,9 °C.
Damit ist der 30. Juni nun offiziell der heißeste Junitag seit Beginn der Wetteraufzeichnungen in Frankreich. Im landesweiten Durchschnitt lag die Temperatur bei 28,2 °C – satte 7,5 °C über dem saisonalen Mittelwert.
Das klingt nicht nur rekordverdächtig. Es ist es auch.
Alarmstufe Rot in weiten Teilen des Landes
Nur einen Tag später, am Dienstag, läutete Météo-France die Alarmklingel: 16 Départements wurden in die höchste Warnstufe, die „Vigilance rouge canicule“, versetzt.
Besonders betroffen waren die Île-de-France und das Centre-Val de Loire. Dort stiegen die Temperaturen erneut auf bis zu 41 °C. Selbst nachts kühlt es kaum ab. Die Minimaltemperaturen lagen vielerorts zwischen 20 und 24 °C, im Süden sogar noch deutlich höher. Für ältere Menschen, Kranke, Kleinkinder und alle ohne Klimatisierung eine kaum zu ertragende Belastung.
Schulen schließen, um Kinder zu schützen
Frankreichs Regierung reagierte pragmatisch.
Rund 1.350 öffentliche Schulen blieben am Montag und Dienstag ganz oder teilweise geschlossen. Ein solcher Schritt ist selten und unterstreicht die dramatische Lage. Lehrkräfte und Eltern sollen kein unnötiges Risiko eingehen – zumal viele Schulgebäude architektonisch kaum auf derartige Hitzewellen ausgelegt sind.
Gesundheitsminister Yannick Neuder appellierte eindringlich an die Bevölkerung: Jeder solle mit offenen Augen durch die Nachbarschaft gehen, gerade ältere und alleinlebende Menschen im Blick behalten. Denn wegen dieser Hitze lauert Lebensgefahr.
Eine neue Klimawirklichkeit
Seit 1947 hat Frankreich 50 registrierte Hitzewellen erlebt. Die Hälfte davon trat jedoch erst nach 2010 auf.
Diese Statistik zeigt klar: Extreme Temperaturen sind längst kein Ausreißer mehr. Sie werden häufiger, länger und intensiver. In der Meteorologie spricht man von einer „anormalen Häufung“ solcher Phänomene – in der Klimapolitik von einer Warnung, die kaum deutlicher ausfallen könnte.
Hat sich unser Lebensstil schon ausreichend an diese neue Realität angepasst?
Viele Experten bezweifeln das. Straßen, Schienen, Stromnetze und Gebäude – große Teile der französischen Infrastruktur sind historisch auf gemäßigtere Temperaturen ausgelegt. Die Folge: Zugausfälle, Stromengpässe, geschmolzene Asphaltdecken. Und immer öfter der Ausfall von Gesundheitssystemen, die an ihre Belastungsgrenzen stoßen.
Erste kleine Entwarnung – doch kein Grund zum Aufatmen
Ab Mittwoch soll es laut Météo-France wieder etwas kühler werden. Doch die Behörden mahnen zur Vorsicht. Körperliche Anstrengungen sollten auf die frühen Morgen- oder späten Abendstunden verlegt werden, die Flüssigkeitszufuhr müsse hochgehalten, direkte Sonne gemieden werden.
Denn auch wenn die Temperaturen etwas sinken – die Gefahr bleibt.
Ein kollektiver Stresstest
Die aktuelle Hitzewelle reiht sich ein in eine Serie von Extremwetterereignissen, die Frankreich – und Europa insgesamt – seit Jahren herausfordert.
Für viele Menschen ist sie mehr als eine meteorologische Randnotiz. Sie ist ein täglicher Kampf gegen Erschöpfung, Kreislaufprobleme, Atemnot. Für die Landwirtschaft ein finanzielles Risiko, für die Politik ein struktureller Prüfstein. Hitzeperioden dieser Größenordnung bedrohen Ernten, treiben Wasserknappheit voran und erhöhen die Waldbrandgefahr drastisch.
Ein Weckruf, der nicht überhört werden darf
Die Regierung rät weiterhin: Aktivitäten reduzieren, regelmäßig trinken, kühle Räume aufsuchen und Freunde oder Verwandte kontaktieren, um Einsamkeit und unbemerkte Notfälle zu verhindern.
Langfristig aber braucht es mehr als solche Notfalltipps.
Es braucht ein Umdenken im Städtebau, in der Energieversorgung, im Konsumverhalten – kurz: in der Art, wie unsere Gesellschaften organisiert sind.
Denn diese Hitze ist kein isoliertes Ereignis mehr. Sie ist ein flammendes Signal für eine Klimakrise, die nicht an Landesgrenzen haltmacht.
Autor: Andreas M. Brucker
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