Tag & Nacht

Von den Protesten iranischer Frauen über afghanische Mädchen, die nicht zur Schule gehen dürfen, bis hin zu den Feminiziden in Frankreich und Europa und den verboten des Schwangerschaftsabbruchs insbesondere in den USA – selten war ein Internationaler Tag der Frauenrechte so wichtig wie in diesem Jahr. 

Am Montag, 48 Stunden vor dem Internationalen Tag der Frauenrechte, der an diesem Mittwoch stattfindet, beklagte der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Antonio Guterres, dass die Gleichstellung von Frauen und Männern in der Welt ein Ziel ist, das immer weiter in die Ferne rücke.

„Die Gleichstellung der Geschlechter rückt immer weiter in die Ferne. Bei der derzeitigen Geschwindigkeit des Fortschritts sieht die Organisation UN Women sie erst in 300 Jahren als erreicht“, kritisierte Antonio Guterres in einer Rede zur Eröffnung der zweiwöchigen Debatten der UN in New York über den Status der Frau. Der UN-Generalsekretär ist der Meinung, dass „die Rechte der Frauen weltweit missbraucht, bedroht und verletzt werden“ und dass „der über Jahrzehnte hinweg erzielte Fortschritt vor unseren Augen verschwindet“.

An Beispielen für diese Rückschritte mangelt es weltweit leider nicht. Man denkt dabei natürlich sofort an Afghanistan. Die Taliban, die im August 2021 an die Macht zurückkehrten, hatten eigentlich versprochen, sich geändert zu haben. Die traurige Wahrheit ist aber: Die Lage der Frauen in Afghanistan ist schlimmer als je zuvor. Mädchen werden vom Schulunterricht ferngehalten und Frauen müssen sich wieder hinter Burkas verbergen. „Frauen und Mädchen wurden aus dem öffentlichen Leben ausgelöscht“, beklagt Antonio Guterres.

Rückschritte bei den Rechten im Iran, in den USA und in Europa.
Und da sind auch an die Frauen im Iran, die seit dem 16. September 2022, dem Todestag der 22-jährigen Mahsa Amini, die drei Tage nach ihrer Festnahme durch die Sittenpolizei wegen einer unter ihrem Schleier schlecht versteckten Haarsträhne starb, für ihre Freiheit demonstrieren.

„Frau, Leben Freiheit“, skandieren die Iranerinnen seither und viele männliche Iraner mit ihnen. Rufe, bei denen sie ihr Leben riskieren. Verhaftet, gefoltert, zum Tode verurteilt, trotzdem fordern die Iranerinnen und Iraner das Mullah-Regime zum Rücktritt auf. Vergiftungen in mehreren hundert Schulen, in denen Mädchen unterrichtet werden, verdeutlichen den Schrecken einer unerbittlichen Unterdrückung der Iranerinnen, was jedoch die Entschlossenheit der Demonstranten nicht mindert.

Bei der Einschränkung der Frauenrechte denkt man aber auch an die USA, wo der ultrakonservative Oberste Gerichtshof das Recht auf Abtreibung in Frage gestellt hat, das seit 1973 auf Bundesebene Bestand hatte. Unmittelbar nach dieser Kehrtwende verabschiedeten einige Bundesstaaten Gesetze gegen das Recht der Frauen, über ihren Körper zu bestimmen.

Neben diesen spektakulären Rückschlägen bei den Rechten der Frau gibt es in unseren europäischen Demokratien auch immer noch empörende Situationen, von denen nur ein Teil – die sexistische und sexuelle Gewalt – durch die Bewegung #MeToo nach Jahren des Schweigens ans Licht gebracht wurde. Ein Schweigen, dessen Schäden und zerstörte Leben wir heute erst langsam ermessen. Der Blick der Gesellschaft auf früher verharmloste sexuelle Gewalt ändert sich und das, was in der Welt der Politik, des Sports, der Medien und überall sonst bisher toleriert wurde, stösst endlich auf Widerstand.

Lange Zeit wurden auch in unseren modernen Gesellschaften Frauenmorde von einigen als „Verbrechen aus Leidenschaft“ verharmlost, heute werden sie als spezifische Verbrechen gegen Frauen verstanden, Verbrechen, die eine starke Antwort der gesamten Gesellschaft und der Strafverfolgung verdienen.

Der Tag der Frauenrechte soll auch den schwierigen Alltag von Frauen in ihrem Familien- und Berufsleben beleuchten. Ungleichheit ist immer noch an der Tagesordnung, wenn es um die Aufteilung der Hausarbeit, das Gehalt, die Rente oder den beruflichen Aufstieg geht. Die berühmte „gläserne Decke“ wurde zwar in einigen Bereichen durchbrochen, doch für die Mehrheit der Frauen ist sie immer noch sehr dick.

„Ich bin hier, um klar und deutlich zu sagen: Die Vereinten Nationen stehen überall an der Seite von Frauen und Mädchen“, schloss Antonio Guterres am Montag seine Rede. Der Kampf der Frauen ist ein universeller Kampf für Gleichberechtigung, ein Kampf, der alle Menschen angeht und betrifft.


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