Eine Handvoll Glut genügt – und ganze Landstriche stehen in Flammen. In Japan wird das aktuell wieder bitter deutlich. Während wir am anderen Ende der Welt womöglich die ersten Frühlingstage genießen, kämpfen Einsatzkräfte und Zivilisten in mehreren Präfekturen gegen die Gewalt eines Feuers, das außer Kontrolle geraten ist. Die Zahlen sprechen für sich – aber was sagen sie wirklich aus?
Rund 2.800 Menschen mussten am Montag ihre Häuser verlassen, weil in zwei japanischen Präfekturen großflächige Brände wüten. Die Bilanz bisher: etwa 4 Quadratkilometer verkohlte Erde, sechs beschädigte Gebäude, ein Verletzter – und unzählige Leben im Ausnahmezustand.
Flammenmeer in Okayama
Sonntagmittag, Okayama und Tamano: In diesen beiden Städten der gleichnamigen Präfektur bricht fast gleichzeitig ein Feuer aus. Die Böden sind trocken, die Vegetation ein einziges Pulverfass – das Resultat: binnen kurzer Zeit frisst sich das Feuer durch mehr als 2,5 Quadratkilometer Landschaft. 900 Menschen werden evakuiert, darunter Familien mit Kindern, Ältere, Pflegebedürftige.
Mehrere Häuser gehen in Rauch auf oder erleiden massive Schäden. Die Behörden handeln schnell – aber gegen den Wind und das Feuer kommen sie nur schwer an.
Ehime: Ein zweiter Brandherd
Fast zur gleichen Zeit entsteht ein weiterer Großbrand in Ehime. Zwischen Imabari und Saijo lodern die Flammen – und nehmen einen halben Quadratkilometer Wald und Wohngebiet ein. Hier müssen fast 1.900 Menschen ihre Häuser verlassen. Einer wird verletzt. Wie viele Häuser betroffen sind, steht noch nicht fest – der Rauch verhindert derzeit eine genaue Bestandsaufnahme.
Man fragt sich unwillkürlich: Wie konnte das wieder passieren?
Kumamoto – kurz gebrannt, schnell gelöscht
Auch Kumamoto ist betroffen. Dort konnte der Brand jedoch rechtzeitig gelöscht werden – ein kleiner Lichtblick inmitten der düsteren Nachrichtenlage.
Die Rettungskräfte Japans sind inzwischen in voller Stärke im Einsatz – mit Löschflugzeugen, schwerem Gerät, Fußtruppen. Und dennoch ist der Kampf gegen das Feuer in Okayama und Ehime noch nicht gewonnen. Wie genau es um die beiden Brandherde steht? Unklar. Zu schnell ändern sich Windrichtung, Temperaturen – und die Lage vor Ort.
Der Elefant im Raum: Klimawandel
Und jetzt kommt die unbequeme Frage, die sich viele nicht stellen wollen: Hat das alles etwas mit dem Klimawandel zu tun?
Die kurze Antwort: Ja. Und die lange? Nun – extreme Wetterlagen nehmen weltweit zu. Japan ist keine Ausnahme. Trockenperioden wechseln sich mit heftigen Niederschlägen ab. Böden verlieren ihre natürliche Feuchtigkeit, Wälder trocknen aus, Grasflächen werden zu Brandbeschleunigern. Und sobald ein Funke fällt – sei es durch menschliches Versagen, einen Blitz oder schlicht durch Überhitzung – entsteht aus einem kleinen Feuer ein Monster.
Noch vor wenigen Jahrzehnten waren solche Szenarien in Japan deutlich seltener. Heute ist es fast schon zur Regel geworden, dass ein heißer, trockener Frühling oder Sommer auch Brände bringt.
Wenn Natur nicht mehr natürlich reagiert
Es geht nicht nur um verbrannte Flächen oder zerstörte Gebäude. Es geht um Lebensräume – für Menschen, Tiere, Pflanzen. Wälder, die seit Jahrhunderten existieren, werden innerhalb von Stunden ausgelöscht. Arten, die nur dort vorkommen, verlieren ihre Rückzugsorte. Und ganze Ökosysteme – fein abgestimmt, wie ein Uhrwerk – geraten aus dem Takt.
Solche Ereignisse sind mehr als bloße Naturkatastrophen. Sie sind Zeichen. Warnungen. Mahnungen.
Die soziale Komponente: Wer leidet am meisten?
Wie so oft trifft es die Schwächsten zuerst. Ältere Menschen, Alleinerziehende, Familien ohne Rücklagen – sie verlieren nicht nur ihr Zuhause, sondern oft auch ihre gesamte Existenz. Und wer in prekären Verhältnissen lebt, hat oft keinen Zugang zu Versicherungen, Notunterkünften oder psychologischer Betreuung.
Deshalb darf der Umgang mit Naturkatastrophen nicht nur eine technische oder logistische Frage sein. Er muss auch sozial gerecht gedacht werden. Anpassungsstrategien müssen alle mitnehmen – sonst verstärkt man die Ungleichheiten, statt sie zu mildern.
Hoffnung? Ja. Aber keine Ausreden mehr
Trotz aller Dramatik gibt es auch Lichtblicke. Die Technik wird besser – Satelliten können Brände früh erkennen, Drohnen liefern Echtzeitdaten, Löschsysteme werden effizienter. Das hilft. Aber es ersetzt nicht den dringenden Wandel, den wir brauchen.
Warum handeln wir nicht schneller? Warum lassen wir zu, dass es immer wieder so weit kommt?
Vielleicht, weil viele die Gefahr noch nicht spüren. Oder weil die Bilder aus Japan, Australien, Kalifornien immer weit weg erscheinen. Aber wer einmal vor einer Feuerwand stand, wer den beißenden Geruch von verbrannter Erde und verkohltem Holz in der Nase hatte, der weiß: Das hier ist real. Und es betrifft uns alle.
Der Weg aus dem Feuer
Was wir jetzt brauchen? Zusammenarbeit. Keine Disziplin kann diese Krise allein bewältigen. Meteorolog:innen, Forstwissenschaftler:innen, Sozialwissenschaftler:innen, Stadtplaner:innen, Psycholog:innen – alle müssen zusammenarbeiten. Nur so lassen sich Brände verhindern, eindämmen, bewältigen.
Und ganz ehrlich: Ein bisschen mehr Demut gegenüber der Natur würde uns allen guttun. Vielleicht wäre das ja ein Anfang.
Von Andreas M. Brucker
Abonniere einfach den Newsletter unserer Chefredaktion!