Tag & Nacht


Ein schmaler Weg, drei Stunden täglich für den Verkehr geöffnet – und dahinter: der Kampf gegen die Zeit, gegen das Gestein, gegen die Unberechenbarkeit der Berge.

In den südfranzösischen Alpen, genauer gesagt im Département Alpes-Maritimes, führt ein Felssturz zu erheblichen Einschränkungen im Straßenverkehr. Doch während sich Autofahrer in Geduld üben und mit Umleitungen arrangieren, arbeiten Spezialisten fieberhaft daran, die Strecke dauerhaft zu sichern. Es geht um mehr als nur Asphalt. Es geht um Vertrauen in die Technik – und ein bisschen auch ums Prinzip.


Colette wartet. Eine Stunde früher als nötig steht sie da, vor der Sperre der Bergstraße, die nun nur noch dreimal täglich für jeweils eine Stunde freigegeben wird. „Lieber so, als dass mir ein Brocken aufs Auto fällt“, sagt sie trocken. Ein Satz, der in dieser Region nicht übertrieben klingt.

Denn was sich kürzlich hier ereignete, hätte schlimmer enden können: Ein Felssturz donnerte in den sogenannten „Couloir d’avalanches“ – ein Abschnitt, der seit Jahrzehnten als Risikozone bekannt ist. Doch diesmal hielten die Schutzvorrichtungen stand. Ein wichtiger Moment für ein paar Stahlseile, Maschendraht und gut platzierte Dissipatoren.


„Da sieht man es – der Pfosten ist komplett verbogen, die Dämpfer sind zerrissen, aber sie haben gehalten“, sagt Denis Huber, Chef des Unternehmens Garelli CUT. Seit zwanzig Jahren seien diese Netze dort installiert – und jetzt hätten sie ihre Feuertaufe bestanden.

Doch auf diesem Erfolg will man sich nicht ausruhen. Im Gegenteil: Während Autofahrer mit Wartezeiten kämpfen, rollen Bagger an. Eine neue Fahrspur entsteht, um die Baustelle zu entlasten. „Die alte Trasse ist nicht mehr tragbar. Wir schaffen gerade eine neue, die fast fertig ist“, erklärt Pierre Mario von der Firma Valtinée. Ein Kraftakt im alpinen Gelände – aber einer, der sich lohnt.


Die Natur hat ihre eigenen Pläne. Und der Mensch? Der lernt, sich anzupassen.

Bis zu sechs Monate sollen die Arbeiten noch dauern. So lange wird der Hang weiter analysiert, werden neue Netze geplant, Winkel vermessen, Einschlagkräfte berechnet. Alles mit dem Ziel, das Risiko künftiger Felsstürze zu minimieren. Ein Drahtseilakt zwischen Vorsorge und Wiederherstellung.

Für Berufstätige wie Cécile sind die Bauzeiten ein Balanceakt. „16 oder 17 Uhr – das ist einfach unpraktisch, wenn man arbeitet“, klagt sie. Doch wie so oft in den Bergen bleibt wenig Spielraum für Alternativen. Die Natur lässt nicht mit sich verhandeln – sie diktiert.


Schon Ende nächster Woche soll die Straße wieder regulär befahrbar sein – zumindest vorübergehend. Ein kleiner Lichtblick für alle, die täglich pendeln, arbeiten, leben müssen – trotz der gewaltigen Kulisse, die nicht nur Postkartenmotive liefert, sondern mitunter auch tonnenschwere Probleme.

Der Winter steht vor der Tür. Doch diesmal geht man vorbereitet in die kalte Jahreszeit. Dank Technik – und neuer Wege.

Andreas M. Brucker

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