Tag & Nacht




Kanadas politische Landschaft hat am 28. April eine dramatische Wende erlebt: Entgegen allen Erwartungen sicherte sich Mark Carney mit seiner Liberalen Partei den Wahlsieg bei den Parlamentswahlen – trotz oder gerade wegen der politischen Turbulenzen, die Donald Trumps Rückkehr ins Weiße Haus ausgelöst hat. Auch wenn die aktuellen Ergebnisse noch keinen klaren Hinweis darauf geben, ob Carney über eine absolute Mehrheit im Parlament verfügen wird, ist eines sicher: Der Wind hat sich in Ottawa gedreht.


Ein Wahlsieg im Zeichen der Verteidigung

In seiner Siegesrede vor begeisterten Anhängern in Ottawa sparte Mark Carney nicht mit klaren Worten: Kanada müsse sich der „amerikanischen Verrats“ bewusst bleiben. „Unsere alte Beziehung zu den Vereinigten Staaten ist vorbei“, erklärte er und warf Trump vor, Kanada „brechen und besitzen“ zu wollen. Die kommenden Monate würden Opfer fordern – doch Carney rief eindringlich zur nationalen Geschlossenheit auf.

Währenddessen zeigte sich sein konservativer Rivale Pierre Poilievre ungewohnt versöhnlich. Obwohl er seine Niederlage eingestand, versprach er, gemeinsam mit dem Premierminister für Kanadas Interessen einzutreten – insbesondere in den kommenden Verhandlungen mit Washington über einen neuen Handelsvertrag. Die Attacken aus dem Süden hätten schließlich eines klargemacht: Kanadas Souveränität stehe über parteipolitischen Grenzen.


Carney trifft den Nerv der Nation

Mit 60 Jahren, politisch noch relativ unerfahren, aber als Wirtschaftsfachmann hoch angesehen, gelang es Mark Carney, eine zunehmend verunsicherte Bevölkerung hinter sich zu bringen. Viele Kanadierinnen und Kanadier sorgen sich angesichts der protektionistischen Politik Trumps um ihre wirtschaftliche Zukunft und die nationale Unabhängigkeit. Carney, ehemaliger Gouverneur sowohl der Bank of Canada als auch der Bank of England, nutzte genau diese Ängste: Immer wieder warnte er vor einer echten Bedrohung durch die USA.

„Die Amerikaner wollen unser Land“, erklärte er während des Wahlkampfs unmissverständlich. „Unsere Ressourcen, unser Wasser – sie wollen alles.“ Das Chaos, so Carney weiter, sei bereits eingekehrt – jetzt gehe es darum, wer Kanada am besten verteidigen könne.


Ein klares wirtschaftliches Signal

Seine Strategie für die kommenden Jahre? Die Zölle auf amerikanische Waren beibehalten, solange Washington seine Maßnahmen nicht zurücknimmt. Parallel dazu soll der Binnenhandel zwischen den kanadischen Provinzen erleichtert und neue Märkte in Europa und anderen Regionen erschlossen werden. Eine kluge Doppelstrategie, die sowohl auf Selbstschutz als auch auf neue wirtschaftliche Chancen setzt.

Pierre Poilievre hingegen, der mit Steuersenkungen und massiven Ausgabenkürzungen warb, hatte es schwer. Sein politischer Stil und manche seiner Ideen wirkten vielen Wählerinnen und Wählern zu nah an Trumps Politik angelehnt – ein Bumerang, der ihn letztlich die entscheidenden Stimmen kosten dürfte.


Trumps Schatten über Kanada

Das Wahlergebnis zeigt eindrucksvoll, wie stark die politische Großwetterlage südlich der Grenze auch Kanadas Innenpolitik beeinflusst. Der amerikanische Präsident ist längst kein externer Faktor mehr – er ist eine Realität, die Kanadas Selbstverständnis und seine politische Zukunft direkt herausfordert.

Mark Carneys Sieg ist daher mehr als nur ein Erfolg für die Liberalen. Er ist ein Signal an alle, die glauben, nationale Unabhängigkeit und demokratische Werte seien selbstverständlich.

Sie sind es nicht. Sie müssen verteidigt werden – jeden Tag aufs Neue.

Von Catherine H.

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