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Fast drei Jahre nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine haben hochrangige US- und russische Beamte erstmals wieder umfangreiche Gespräche geführt. Noch während in Saudi-Arabien über diplomatische Wiederannäherung und Friedensverhandlungen beraten wurde, sorgte US-Präsident Donald Trump mit seinen Äußerungen für Aufsehen. Er gab der Ukraine die Schuld am Krieg und stellte infrage, ob Kiew nicht durch frühzeitige Zugeständnisse den Konflikt hätte verhindern können.

Die diplomatische Eiszeit lockert sich

Die Gespräche in Riad markierten die bedeutendste diplomatische Annäherung zwischen Washington und Moskau seit Beginn des Krieges. Delegationen unter der Leitung von US-Außenminister Marco Rubio und seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow einigten sich darauf, den diplomatischen Personalabbau an den Botschaften beider Länder rückgängig zu machen. Eine Reihe von Repressalien, beginnend mit der Annexion der Krim 2014, hatte in den letzten Jahren zu massiven Reduzierungen des diplomatischen Personals geführt. Nun soll mit der Ernennung neuer Botschafter und einer stärkeren Zusammenarbeit wieder ein Mindestmaß an diplomatischen Beziehungen hergestellt werden.

Friedensverhandlungen mit unklarer Perspektive

Ein weiteres zentrales Gesprächsthema war die Möglichkeit einer diplomatischen Lösung des Ukraine-Krieges. Beide Seiten einigten sich darauf, hochrangige Arbeitsgruppen zu bilden, um über Sicherheitsgarantien und territoriale Fragen zu beraten. Unklar bleibt jedoch, wie diese Verhandlungen konkret aussehen sollen. Während die USA betonen, dass keine Seite ausgeschlossen werde, gibt es erhebliche Zweifel an der Neutralität dieses Prozesses.

Russland bleibt hart in seiner Ablehnung einer NATO-Präsenz in der Ukraine. Lawrow betonte, dass Moskau keine Friedenstruppen aus NATO-Staaten akzeptieren werde, selbst wenn sie unter dem Banner der EU operierten. Das dürfte die Verhandlungen erheblich erschweren, denn für Kiew ist der westliche Schutz gegen eine erneute russische Aggression unverzichtbar.

Die Ukraine außen vor?

Besonders brisant: Weder Vertreter der Ukraine noch europäischer Staaten waren zu den Gesprächen eingeladen. Offiziell betonten US-Vertreter, dass dies nicht bedeute, dass Kiew ausgeschlossen werde. Doch Trumps wiederholte Äußerungen, die Ukraine hätte durch frühere Zugeständnisse den Krieg verhindern können, haben in Europa Besorgnis ausgelöst. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte umgehend seine geplante Reise nach Saudi-Arabien ab, um jeglichen Anschein einer Unterstützung dieser Verhandlungen zu vermeiden.

Kritiker sehen hierin eine starke Neigung der Verhandlungen zugunsten Russlands. Nigel Gould-Davies vom International Institute for Strategic Studies nannte den Prozess gar „eine Serie amerikanischer Kapitulationen“. Eine Friedensverhandlung ohne die Ukraine als Hauptbetroffenen wirft die Frage auf, ob Washington dazu bereit ist Moskau weitreichende Zugeständnisse zu machen.

Wirtschaftliche Interessen und geopolitische Kalküle

Neben politischen Fragen wurden auch wirtschaftliche Kooperationsmöglichkeiten diskutiert. Der russische Chef des Direct Investment Fund, Kirill Dmitrijew, warb für gemeinsame Energieprojekte in der Arktis. US-Vertreter hielten sich mit Zusagen zurück, betonten aber, dass ein Friedensschluss in der Ukraine den Weg für neue wirtschaftliche Chancen ebnen könnte.

Ein zentrales Thema bleibt die Frage der Sanktionen gegen Russland. Rubio ließ offen, ob die USA Sanktionen aus der Biden-Ära aufheben würden, betonte aber, dass „bei jedem Frieden beide Seiten Zugeständnisse machen müssen“. Das muss für die Ukraine, die auf eine harte Sanktionspolitik setzt, ein weiteres Warnsignal sein.

Ein fragiles Gleichgewicht

Die Gespräche zwischen den USA und Russland könnten ein erster Schritt zur Deeskalation des Ukraine-Krieges sein. Doch der diplomatische Prozess birgt Risiken: Trumps pro-russische Rhetorik könnte die Beziehungen zu Europa und der Ukraine dauerhaft belasten. Sollten die Verhandlungen tatsächlich zu einem Frieden führen, dürfte die zentrale Frage sein, auf wessen Kosten dieser Frieden geschlossen wird.

Von M.A.B.

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