Tag & Nacht




Als am 20. Mai 2025 im südfranzösischen Département Var der Himmel seine Schleusen öffnete, hatte niemand mit einem solchen Unwetter gerechnet. Binnen Stunden wurde aus einem gewöhnlichen Regentag ein Albtraum – mit tödlichen Folgen.

Drei Menschen starben in den Fluten, Häuser wurden verwüstet, Straßen und Brücken weggespült. Jetzt fordern Bürgermeister, Minister und Bürger gemeinsam: Der Staat muss handeln – und zwar schnell.


Wenn der Regen alles mit sich reißt

Besonders schlimm traf es die Orte Lavandou und Vidauban. In einem Stadtteil von Lavandou, Cavalière, fielen unglaubliche 256 Liter/m2 Regen in einer einzigen Stunde. Vidauban erlebte innerhalb von sechs Stunden eine Wassermenge, die sonst in drei Monaten fällt – 185,9 Liter/m2.

Ein älteres Ehepaar wurde vom Wasser überrascht und konnte sich nicht retten. Eine 81-jährige Frau starb in ihrem Auto, das von den Wassermassen regelrecht verschluckt wurde.

Diese Zahlen zu den Regenmengen wirken abstrakt – aber jeder, der jemals knietief im Wasser durch seine Küche waten musste, weiß: Hier geht’s nicht nur um Statistik. Es geht um Menschenleben. Um Existenzen.


Politik reagiert – schnell und mit klaren Worten

Schon wenige Stunden nach den ersten Notrufen machten sich hochrangige Beamte ein Bild vor Ort. François-Noël Buffet vom Innenministerium wollte sich von den Schäden persönlich überzeugen. Präsident Emmanuel Macron versprach Solidarität – eine Geste, die mehr als nur Trost sein soll. Sie soll vor allem Hoffnung geben.

Die betroffenen Kommunen fordern nun offiziell die Anerkennung des „état de catastrophe naturelle“. Diese staatliche Einstufung ist in Frankreich der entscheidende Hebel für schnelle finanzielle Hilfe. Wer durch Naturgewalten alles verliert, soll zumindest eine faire Entschädigung erhalten.


Was bedeutet eigentlich „Katastrophenzustand“?

Die Prozedur klingt nüchtern, doch sie entscheidet über die Zukunft vieler Familien. Betroffene Gemeinden müssen beim Präfekten eine Anfrage stellen. Anschließend prüft eine interministerielle Kommission die Daten: Wie stark war das Ereignis, wie ungewöhnlich ist es, welche Schäden liegen vor?

Gibt es grünes Licht, erscheint ein entsprechender Erlass im „Journal Officiel“. Dann beginnt für die Opfer der Countdown: Innerhalb von zehn Tagen müssen sie ihren Schaden der Versicherung melden. Klingt bürokratisch? Ist es auch – aber alternativlos.


Millionenschäden – und das kurz vor der Urlaubssaison

Der wirtschaftliche Schaden ist gewaltig. In Lavandou spricht Bürgermeister Gil Bernardi von „Szenen wie im Krieg“. Straßen wurden aufgerissen, Brücken fortgespült, Strom- und Wasserleitungen beschädigt. Nicht zu vergessen: Die Tourismusbranche steht vor einem Desaster.

Hotels bleiben erleben Stornierungen, Strände sind vermatscht, und Wanderwege gesperrt. Für viele kleine Betriebe in der Region ist die Hauptsaison der Lebensnerv – und dieser wurde nun brutal in Mitleidenschaft gezogen.


Der Klimawandel klopft an – und zwar mit Nachdruck

Solche Extremwetterlagen sind längst keine Einzelfälle mehr. Wer denkt, der Süden Frankreichs sei vor Naturgewalten sicher, wird Jahr für Jahr eines Besseren belehrt. Inzwischen häufen sich die Starkregenereignisse, Stürme und Dürreperioden.

Reicht es da, immer wieder nur die Trümmer wegzuräumen? Oder müssen wir endlich anfangen, unser Denken und Handeln radikal zu ändern?

Stadtplaner, Klimaforscher und Lokalpolitiker fordern genau das: neue Baukonzepte, Frühwarnsysteme, renaturierte Flächen. Denn der beste Schutz gegen Hochwasser ist nicht der Sandsack, sondern ein kluges, vorausschauendes Konzept.

Die Anerkennung des Katastrophenzustands im Var ist nicht nur eine notwendige Maßnahme für schnelle Hilfe. Sie ist auch ein Symbol – dafür, dass sich Politik, Gesellschaft und Wirtschaft endlich den neuen Realitäten stellen müssen.

Denn das nächste Unwetter kommt bestimmt. Die Frage ist: Wollen wir dann wieder nur reagieren – oder beginnen wir endlich, vorauszudenken?

Von Andreas M. Brucker

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