Tag & Nacht




Man konnte es kaum glauben, was sich am 18. Juni 2025 im französischen Fernsehen zutrug. Rachida Dati, Justizkennerin, Juristin, frühere Richterin – und seit Januar Kulturministerin –, saß im Studio von C à vous und nutzte ein öffentliches Interview nicht etwa zur Aufklärung schwerer Vorwürfe. Stattdessen entschied sie sich für den kalkulierten Gegenangriff: Sie diskreditierte den Journalisten, stellte sich über kritische Fragen – und drohte mit dem Strafgesetzbuch. Live, zu bester Sendezeit.

Madame Dati, wie tief kann das Niveau einer demokratischen Debatte noch sinken?

Wer so offen und dreist die Presse angreift, stellt sich nicht auf Augenhöhe mit den Medien – er stellt sich über sie. Und genau das ist in einer Demokratie unerträglich. Die Presse ist nicht Ihr Feind, Frau Dati. Sie ist nicht „parteiisch“, „toxisch“ oder „verleumderisch“, nur weil sie ihre Arbeit macht. Sie ist kein Spielball Ihrer persönlichen Ehre. Sie ist – und bleibt – das Rückgrat einer freien Gesellschaft.

Und Sie? Sie sind nicht irgendjemand. Sie sind Juristin. Sie haben am Gericht geurteilt. Sie kennen Artikel 40 des französischen Code de procédure pénale. Aber dieser Artikel verpflichtet Beamte dazu, Straftaten zur Anzeige zu bringen – nicht dazu, Journalistinnen und Journalisten öffentlich anzuklagen, um von den eigenen Affären abzulenken.

Es ist ein gefährliches Spiel, wenn eine Ministerin das Strafrecht instrumentalisiert, um investigative Fragen zu unterdrücken. Noch gefährlicher wird es, wenn diese Angriffe in einem Klima zunehmender Demokratieverachtung stattfinden – in einem Europa, in dem rechte Populisten von „Lügenpresse“ und „Systemmedien“ sprechen, in dem Reporter beschimpft, bedroht und tätlich angegriffen werden.

Sie hätten sich klar distanzieren können, Frau Dati. Sie hätten sagen können: „Ich beantworte alle Fragen, ich stelle mich der Justiz – und ich respektiere die Rolle der Presse in unserem Staat.“ Aber stattdessen haben Sie Öl ins Feuer gegossen. Statt Rechenschaft – Rache. Statt Klarheit – Kalkül.

Und was bleibt? Der Eindruck, dass politische Macht heute zu oft als Macht über die Öffentlichkeit missverstanden wird. Dass man nicht mehr argumentiert, sondern abkanzelt. Nicht mehr redet, sondern draufschlägt.

Nein, Frau Dati – so verteidigt man keine Demokratie. So beschädigt man sie. Und es ist ein Hohn, dass ausgerechnet Sie, eine Frau, die mit dem republikanischen Ideal in ein Ministeramt aufstieg, das höchste Gut unseres Gemeinwesens derart mit Füßen treten: die Freiheit der Presse.

Ein Kommentar von P. Tiko
Dieser Text ist ein Meinungsbeitrag. Er gibt die persönliche Sicht des Autors wieder.

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