Tag & Nacht




Manchmal muss man Dinge beim Namen nennen.

Das, was da am Strand von Pas-de-Calais passiert ist, ist keine „Taktik“ und keine „Maßnahme“. Es ist eine Schande. Eine Schande für Frankreich. Eine Schande für Großbritannien. Und, ja, eine Schande für Europa.

Da stehen Gendarmen, bewaffnet mit Messern, und zerschlitzen ein Schlauchboot. Ein Boot, das ein paar verzweifelten Menschen vielleicht die letzte Hoffnung gegeben hat, das Elend am Rande unserer wohlgeordneten Welt hinter sich zu lassen.

Man kann das pragmatisch nennen. Abschreckung. Sicherheitsstrategie. Grenzschutz.

Oder man nennt es bei seinem wahren Namen: Menschenverachtung.

Frankreich und Großbritannien – und die Lüge von der Zivilisation

Zwei Staaten, die sich rühmen, Hüter der Menschenrechte zu sein. Die Shakespeare, Rousseau, Newton, Sartre und Simone de Beauvoir hervorgebracht haben. Zwei Staaten, die stolz sind auf ihre Zivilisation, ihre Demokratie, ihre aufgeklärte Rechtsordnung.

Und doch schaffen sie es nicht, für ein paar Tausend schutzsuchende Menschen an ihren Küsten eine humane Lösung zu finden.

Kein Wunder, dass europäische Werte im Rest der Welt zunehmend wie ein schlechter Witz klingen.

Wer ein Boot zersticht, zersticht mehr als Gummi

Es geht hier nicht nur um ein Boot. Es geht um Würde. Um die Gewissheit, dass ein Mensch nicht behandelt wird wie ein Insekt, das man zertritt, weil es gerade im Weg ist.

Ja, Migration ist ein Problem. Ja, Schleuser sind ein Problem. Aber wer glaubt, dass Messerstiche in ein Schlauchboot irgendetwas lösen, der hat nicht verstanden, warum Menschen überhaupt fliehen.

Es ist wie ein Pflaster auf eine platzende Wasserleitung zu kleben – sinnlos, aber man kann sich einreden, etwas getan zu haben.

Eine menschliche Katastrophe – und ein moralisches Versagen

Als ich dieses Video sah, spürte ich Scham. Scham, Teil dieses Europas zu sein, das so viel Kraft aufbringt, um Menschen abzuwehren, und so wenig Willen zeigt, ihnen zu helfen.

Wir reden hier nicht von Millionen. Wir reden von ein paar Schlauchbooten, von Männern, Frauen, Kindern, die den Tod riskieren, weil das Leben, das sie hinter sich lassen, schlimmer ist als jede Welle im Ärmelkanal.

Und was tun wir? Wir nehmen ihnen auch noch das letzte Boot weg.

Europa, schau in den Spiegel

Eines Tages wird man auf diese Epoche zurückblicken und fragen: Wo wart ihr, als sie auf dem Meer starben? Wo wart ihr, als ihre Boote zerstochen wurden? Und wir werden sagen: Wir waren da – mit unseren Messern, unseren Patrouillen, unserer grenzenlosen Gleichgültigkeit.

Es ist eine Schande. Und sie wird bleiben.

Ein Kommentar von C. Hatty

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