Tag & Nacht




Zum Glück gibt es immer noch Menschen.
Denn die Maschinen, so klug sie sich auch geben, so eloquent sie auch daherreden – sie sind noch weit davon entfernt, das Rückgrat unserer Informationsgesellschaft zu tragen.

Der Fall ist bezeichnend: ChatGPT erklärt mit einer Selbstsicherheit, die fast schon arrogant wirkt, François Bayrou sei niemals Premierminister gewesen. Eine Kleinigkeit? Mitnichten. Bayrou hat dieses Amt von Dezember 2024 bis September 2025 ausgefüllt – und genau hier zeigt sich die Sprengkraft. Wer Maschinen blind vertraut, läuft Gefahr, Geschichte auszulöschen, noch während sie geschrieben wird.

Und es bleibt nicht bei diesem einen Patzer. Denken wir an den Australier, der an der Grenze zu Chile scheiterte, weil er einer fehlerhaften KI-Antwort glaubte. Kein Visum nötig, versprach das System – und ließ ihn vor verschlossenen Türen stehen. Solche Geschichten sind keine Science-Fiction, sondern reale Lebensläufe, die durch digitale Irrtümer aus der Bahn geraten.

Natürlich, Entwickler verweisen gerne auf das Problem der Aktualisierung. Trainingsdaten enden an einem bestimmten Stichtag, was danach geschieht, fällt ins schwarze Loch des Algorithmus. Doch seien wir ehrlich: Was nützt ein Ratgeber, der stets gestern spricht, wenn wir heute Antworten brauchen? Was nützt eine Stimme, die mit voller Überzeugung Unsinn verkündet?

Das eigentlich Gefährliche ist die Autorität, mit der KI spricht. Sie zweifelt nicht, sie zögert nicht, sie argumentiert nicht vorsichtig – sie erklärt. Punkt. Und wir, Nutzerinnen und Nutzer, haben uns daran gewöhnt, dieser Stimme Glauben zu schenken. Wer klickt schon jedes Mal zur Gegenprüfung in die Tiefen von Regierungsseiten oder Archive? Wer fragt kritisch nach, wenn die Maschine so überzeugend klingt?

Genau hier liegt die Falle: Wir verlieren die gesunde Skepsis, die wir Journalisten, Politikern oder Experten so selbstverständlich entgegenbringen. Weil das Digitale so neutral wirkt, glauben wir, es sei objektiv. Doch Neutralität ohne Wahrheit ist nichts wert.

Zum Glück gibt es immer noch Menschen. Menschen, die querdenken, die Fehler aufdecken, die Widersprüche riechen, bevor sie schwarz auf weiß bestätigt sind. Menschen, die Zweifel kultivieren, statt sie algorithmisch zu glätten. Menschen, die den Unterschied zwischen einer Datenbank und einer Gesellschaft kennen.

Die Frage ist: Wie lange noch? Wie lange überlassen wir die Deutung unserer Gegenwart Maschinen, die weder Erinnerung noch Verantwortung kennen? Und wann beginnen wir, die Kontrolle zurückzufordern?

Wer sich heute mit einem Lächeln auf die vermeintliche Unfehlbarkeit der KI verlässt, der spielt mit dem Fundament von Demokratie, Medienvertrauen und Alltagssicherheit. Denn Information ist kein Spielzeug – sie ist der Sauerstoff unserer Gesellschaft.

Darum: Prüfen, hinterfragen, widersprechen. Nicht alles schlucken, was ein Algorithmus ausspuckt.
Die Zukunft darf nicht von Maschinen diktiert werden, die im Gestern steckenbleiben. Sie gehört den Menschen, die das Heute verstehen.

Ein Kommentar von C. Hatty

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