Sonnige Strände, raue Küsten, pittoreske Dörfer – Korsika ist im Sommer ein Sehnsuchtsort. Doch sobald die Ferien vorbei sind, wird es still auf der Insel. Viel zu still, findet die Collectivité de Corse. Ihr Gegenmittel: ein mutiger Plan, der europaweit für Aufsehen sorgt.
Künftig sollen jedes Jahr 250.000 Flugtickets für die Nebensaison subventioniert werden. Die öffentliche Hand greift dafür tief in die Tasche – 2,5 Millionen Euro jährlich, vier Jahre lang. Das Ziel ist klar: mehr Besucher von Oktober bis Mai, weniger Überfüllung im Hochsommer. Eine Revolution im Rhythmus des Tourismus?
Ein Kauf, der Vertrauen schaffen soll
Statt zu hoffen, dass Fluggesellschaften auch im Winter Korsika anfliegen, setzt die Inselregierung auf Verbindlichkeit: Sie kauft Sitzplätze ein – im Voraus, garantiert. Das betrifft zunächst neun französische Städte wie Bordeaux, Nantes oder Straßburg. Dazu kommen drei internationale Verbindungen, etwa nach Rom oder Brüssel-Charleroi.
Die Botschaft ist deutlich: Die Nebensaison soll nicht länger stiefmütterlich behandelt werden. Wer im Winter anreist, soll ein ebenso attraktives Korsika erleben – nur ohne die sommerliche Menschenflut.
Ein wirtschaftlicher Hoffnungsträger
Die Rechnung klingt verlockend: 2,5 Millionen Euro Investition könnten laut Berechnungen bis zu 100 Millionen Euro an wirtschaftlichen Effekten generieren – pro Jahr. Hotels, Restaurants, Autovermieter, lokale Produzenten: Viele könnten profitieren. Geplant sind rund sieben Millionen zusätzliche Übernachtungen über den gesamten Zeitraum.
Doch so einfach ist die Gleichung nicht.
Touristen müssen nicht nur kommen – sie müssen bleiben, konsumieren, wiederkommen. Ob die Flugticket-Garantie allein reicht, um das zu bewirken, bleibt offen. Ein leerer Sitz bleibt ein leerer Sitz, egal wer ihn bezahlt hat.
Der saisonale Teufelskreis
Korsika kennt die Schattenseiten des Sommertourismus: überfüllte Buchten, explodierende Preise, genervte Einheimische. Gleichzeitig versinkt die Insel ab Herbst in eine Art Winterschlaf. Die Straßen leer, die Fähren halbvoll, viele Hotels geschlossen.
Der neue Plan soll diesen Kreislauf durchbrechen. Wer den Besucherstrom entzerrt, kann Lebensqualität zurückgewinnen – für Gäste wie für Einheimische. Doch dafür braucht es mehr als Flugverbindungen.
Ohne offene Restaurants, belebte Dörfer und ein kulturelles Angebot auch im Januar wird die beste Flugverbindung nicht zum Erlebnis. Der Tourismus lebt nicht vom Ticket allein.
Rechtlich einzigartig – aber unproblematisch?
Dass eine europäische Region öffentlich Flugtickets einkauft, ist ein Novum. Einige fragen sich, ob das mit dem Wettbewerbsrecht vereinbar ist. Die Initiative könnte als verdeckte Beihilfe an Airlines gewertet werden – oder als unzulässige Marktverzerrung.
Die Collectivité de Corse sieht das gelassen. Für sie steht die nachhaltige Entwicklung des Insel-Tourismus im Vordergrund. Doch sollte Brüssel anderer Meinung sein, könnte das Projekt frühzeitig ins Wanken geraten.
Zwischen Wunsch und Wirklichkeit
Die Idee ist mutig. Und sie macht Hoffnung. Denn sie nimmt sich eines Problems an, das viele Ferienregionen betrifft: Tourismus, der sich auf wenige Wochen im Jahr konzentriert, überfordert Mensch und Natur.
Korsika will mehr Balance – ökonomisch, ökologisch, sozial. Das kann funktionieren, wenn alle mitziehen: Fluggesellschaften, Gastgeber, Gemeinden. Wenn auch im Februar Cafés offen sind, Wanderwege gepflegt, Märkte belebt.
Eine rhetorische Frage stellt sich dennoch: Wird der stille Winter zur neuen Stärke der Insel – oder bleibt er ein leeres Versprechen?
Für Deutschland ein Signal
Gerade für deutsche Urlauberinnen und Urlauber könnte die neue Strategie reizvoll sein. Wer Ruhe sucht, mildes Klima und eine authentische Atmosphäre, findet sie eher im Frühjahr oder Herbst.
Die Aussicht auf günstigere Flüge, mehr Verbindungen und weniger Trubel könnte neue Impulse setzen – auch jenseits der klassischen Sommerferien. Ein Korsika, für das man nicht nur Sonnencreme, sondern auch Wanderschuhe einpackt.
Ob sich dieser Perspektivwechsel lohnt, zeigt sich in den kommenden Jahren. Klar ist: Der erste Schritt ist getan. Und er könnte Schule machen – auch für andere Regionen, die unter dem ewigen Sommer-Hype ächzen.
Von C. Hatty
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