Das Jahr 2024 ist erst wenige Monate alt, und schon mussten in Frankreich 8.900 Bauunternehmen ihre Pforten schließen – ein Rekord, der seit 2015 nicht erreicht wurde. Besonders hart trifft es den Ort Iwuy im Norden des Landes, wo der Bau einer Grundschule ins Stocken geraten ist.
Eigentlich sollten die 240 Schülerinnen und Schüler zum neuen Schuljahr ein funkelnagelneues Gebäude beziehen. Doch nun spielen sie inmitten von Baumaschinen und Gerüsten auf ihrem Pausenhof. Der Grund? Das Bauunternehmen, das ursprünglich für den Rohbau verantwortlich war, meldete im letzten Jahr Insolvenz an. Die Stadtverwaltung musste schnell eine neue Firma beauftragen, aber die Eröffnung der Schule ist nun frühestens im April 2025 zu erwarten. Iwuy steht mit diesem Problem nicht allein da – landesweit sind zahlreiche öffentliche Bauprojekte von der Krise betroffen.
Teurer Stillstand
Dass so viele Unternehmen aus dem Baugewerbe Pleite gehen, sorgt nicht nur für Verzögerungen – es geht auch mächtig ins Geld. Besonders kleine Kommunen leiden darunter. Bei einem anderen Bauprojekt wartete der Architekt sage und schreibe sieben Monate, bis endlich wieder Arbeiter an der Baustelle auftauchten. Jeder Tag Verzögerung kostet die Gemeinde bares Geld. Und das, obwohl die staatlichen Zuwendungen, die sie seit 2017 erhält, gleich geblieben sind: 300.000 Euro pro Jahr – keinen Cent mehr.
Für die Gemeinde Iwuy ist das bitter, denn ein Großteil des Budgets fließt direkt in Bauprojekte wie die neue Schule. Der Bürgermeister lässt sich trotzdem nicht entmutigen. Er ist entschlossen, die Schule fertigzustellen, ohne dabei die Steuern für die Bürgerinnen und Bürger zu erhöhen – eine mutige Entscheidung, wenn man bedenkt, wie eng das finanzielle Korsett ohnehin schon geschnürt ist.
Ursachen der Krise
Doch wie konnte es überhaupt so weit kommen? Warum stehen immer mehr Baustellen still, und warum gehen Bauunternehmen reihenweise pleite? Die Antwort ist vielschichtig und verweist auf mehrere Faktoren, die sich über die letzten Jahre entwickelt haben.
Zunächst einmal sind die Materialkosten seit der Pandemie massiv gestiegen. Stahl, Holz und andere Baustoffe haben sich teilweise um das Doppelte verteuert. Viele Bauunternehmen hatten laufende Verträge, die auf alten Preiskalkulationen basierten – und konnten die höheren Kosten nicht mehr decken.
Hinzu kommt der Fachkräftemangel. Immer weniger junge Menschen entscheiden sich für eine handwerkliche Ausbildung, während gleichzeitig viele ältere Arbeiter in den Ruhestand gehen. Wer heute einen Elektriker oder Maurer sucht, wartet oft monatelang auf verfügbare Termine.
Auch die steigenden Zinsen spielen eine Rolle. Viele Kommunen und Privatpersonen verschieben oder stoppen ihre Bauvorhaben, weil die Finanzierung plötzlich teurer wird. Kredite, die vor wenigen Jahren noch zu günstigen Konditionen zu haben waren, belasten nun das Budget sehr viel stärker. Weniger Aufträge bedeuten für die Bauunternehmen wiederum weniger Einnahmen – und das in einem Umfeld, das ohnehin von steigenden Kosten geprägt ist.
Die Folgen für die Zukunft
Die Krise im französischen Baugewerbe wirkt sich auf viele Lebensbereiche aus. Neue Schulen, Kindergärten, Wohnhäuser – all diese Projekte verzögern sich, manchmal um Jahre. Gerade in ländlichen Gegenden, wo öffentliche Einrichtungen das Rückgrat des sozialen Lebens bilden, sind die Auswirkungen besonders schmerzhaft spürbar.
Aber nicht nur öffentliche Bauvorhaben leiden. Auch private Häuslebauer sind betroffen. Wer sein Traumhaus plant, muss sich auf lange Wartezeiten und unerwartete Kosten einstellen. Manche Familien sehen sich sogar gezwungen, ihre Bauprojekte ganz aufzugeben, weil sie sich die plötzlich explodierenden Preise nicht mehr leisten können.
Ein weiterer Effekt, den man nicht unterschätzen sollte, ist die Unsicherheit, die die derzeitige politische Krise in die Branche bringt. Unternehmen zögern, neue Investitionen zu tätigen, weil sie nicht wissen, wie sich die Lage in den kommenden Monaten entwickeln wird. Diese Zurückhaltung könnte zu einer Abwärtsspirale führen, in der immer weniger gebaut wird – und damit auch immer weniger Arbeitsplätze im Bauwesen gesichert werden können.
Gibt es Hoffnung am Horizont?
Doch trotz all der negativen Schlagzeilen gibt es auch Lichtblicke. Die noch amtierende Regierung hat bereits Maßnahmen angekündigt, um die Bauwirtschaft zu stabilisieren. Darunter fallen staatliche Hilfspakete für Unternehmen, die durch die hohen Materialkosten in Schieflage geraten sind, sowie Programme zur Förderung von handwerklichen Berufen, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.
Zudem wird darüber diskutiert, ob die öffentlichen Zuwendungen an die Kommunen erhöht werden sollten, damit diese ihre Bauvorhaben trotz der gestiegenen Kosten fortsetzen können. Eine solche Entscheidung wäre zwar in vielen Fällen nur ein Tropfen auf den heißen Stein, könnte aber zumindest die dringendsten Projekte vor dem Stillstand bewahren.
Ob all diese Maßnahmen ausreichen, um die Branche aus ihrer Krise zu führen, bleibt abzuwarten. Klar ist jedoch: Ohne schnelles Handeln drohen weitere Baustellen zu Ruinen zu verkommen – und das wäre nicht nur für die betroffenen Kommunen ein Desaster, sondern auch für die Zukunft des Landes.
Während also die Kinder von Iwuy weiterhin auf einer halbfertigen Baustelle spielen, hoffen Eltern, Lehrer und Bürgermeister, dass es bald besser wird. Wer weiß, vielleicht sind sie im April nächsten Jahres endlich in ihrer neuen Schule – aber sicher ist das noch lange nicht.
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