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Der Besuch einer Notaufnahme bedeutet in Frankreich mittlerweile vor allem eines: Warten. Eine neue Studie des französischen Gesundheitsministeriums zeigt, dass sich die durchschnittliche Verweildauer in den Notaufnahmen in den letzten zehn Jahren deutlich verlängert hat. Besonders ältere Patienten und große Kliniken sind von dieser Entwicklung betroffen – und eine Besserung ist nicht in Sicht.

Drei Stunden Wartezeit sind die Norm

Wer in Frankreich eine Notaufnahme aufsucht, muss immer mehr Geduld mitbringen. Eine aktuelle Erhebung der Statistikabteilung des Gesundheitsministeriums (Drees) hat ergeben, dass die Hälfte der Patienten mehr als drei Stunden zwischen der Anmeldung und der Entlassung in den Notaufnahmen der Krankenhäuser verbringt. Im Vergleich zu 2013 hat sich die Wartezeit um 45 Minuten verlängert.

Und das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange: Ein Viertel der Patienten wartet inzwischen mehr als 5 Stunden und 30 Minuten, während 15 % sogar über acht Stunden in der Notaufnahme verbringen. Vor zehn Jahren waren es nur 9 %.

Diese Zahlen stammen aus einer Studie, die am 13. Juni 2023 in 719 Notaufnahmen Frankreichs durchgeführt wurde. Insgesamt wurden 58.500 Patienten erfasst – eine Momentaufnahme, die das alltägliche Chaos in französischen Notaufnahmen widerspiegelt.

Längere Wartezeiten für alle – aber mit Unterschieden

Zwar sind die Wartezeiten generell gestiegen, doch nicht alle Patienten sind gleichermaßen betroffen. Wer nach der Behandlung wieder nach Hause kann, verbringt im Schnitt 2 Stunden und 30 Minuten in der Notaufnahme. Patienten, die stationär aufgenommen werden, warten hingegen über fünf Stunden. Besonders dramatisch ist die Situation für Menschen, die zunächst in eine spezielle Kurzzeitbeobachtungsstation verlegt werden: Ihre durchschnittliche Aufenthaltsdauer beträgt mittlerweile fast 15 Stunden.

Ein weiterer Faktor ist die Größe der Klinik. Kleinere Notaufnahmen mit rund 40 Patienten täglich kommen auf eine mittlere Wartezeit von zwei Stunden. Große Notaufnahmen mit über 120 Patienten pro Tag lassen ihre Patienten fast vier Stunden warten.

Und auch das Alter spielt eine Rolle: 36 % der über 75-Jährigen müssen mehr als acht Stunden in der Notaufnahme verbringen – ein deutlicher Anstieg im Vergleich zu 2013 (24 %). Der Grund? Ältere Patienten benötigen oft aufwendigere Untersuchungen und verbringen mehr Zeit in Kurzzeitbeobachtungseinheiten.

Überfüllte Notaufnahmen – ein Problem mit vielen Ursachen

Warum dauert alles so lange? Eine zentrale Ursache ist die Überlastung des gesamten Gesundheitssystems. Im Jahr 2022 zählten die 694 französischen Notaufnahmen insgesamt 20,9 Millionen Besuche – eine Zahl, die seit Jahrzehnten stetig wächst. Ein erheblicher Anteil der Patienten kommt allerdings nicht wegen lebensbedrohlicher Notfälle, sondern weil sie anderswo keine medizinische Versorgung finden.

21 % der Befragten gaben an, dass sie in der Notaufnahme gelandet sind, weil sie keinen Termin bei einem Allgemeinmediziner bekommen konnten. Zum Vergleich: 2013 waren es erst 14 %. Der Mangel an Hausärzten treibt also immer mehr Menschen in die Notaufnahmen – mit fatalen Folgen für das gesamte System.

Gleichzeitig fehlt es in den Notaufnahmen selbst an Personal. Zwischen März und Juni 2023 mussten 8 % der Notaufnahmen in Frankreich mindestens einmal vorübergehend schließen, weil nicht genug Ärzte und Pflegekräfte verfügbar waren. 23 % der Notaufnahmen führten eine Art Zugangsbeschränkung ein, um die Patientenströme zu regulieren.

Das ungelöste Problem: Zu wenig Personal, zu viele Patienten

Die Lage ist nicht nur angespannt, sondern auch gefährlich. Bereits im November 2023 warnte der französische Rechnungshof vor einer zunehmenden „Verschlechterung der Versorgungsqualität“ in den Notaufnahmen. Längere Wartezeiten bedeuten oft schlechtere Behandlung – und erhöhen in manchen Fällen sogar das Sterberisiko.

Ein weiterer besorgniserregender Trend ist der sogenannte „Patientenkorridor“-Effekt: Weil Betten fehlen, müssen Patienten immer häufiger auf Fluren oder in improvisierten Bereichen untergebracht werden. Ein Zustand, den einige Mediziner bereits als „strukturelle Misshandlung“ bezeichnen.

Dabei waren die Versprechen groß: Präsident Emmanuel Macron kündigte noch 2022 an, die Notaufnahmen bis Ende 2024 zu entlasten. Doch von diesem Ziel ist Frankreich weit entfernt. Statt Verbesserungen gibt es weiterhin geschlossene Abteilungen, überfüllte Wartebereiche und frustriertes medizinisches Personal.

Fazit: Eine Krise ohne schnelle Lösung

Die französischen Notaufnahmen sind chronisch überlastet, und Besserung ist nicht in Sicht. Die steigenden Patientenzahlen, der Mangel an Hausärzten und der Personalmangel in den Kliniken lassen kaum Spielraum für schnelle Lösungen. Während die Politik nach Antworten sucht, bleibt den Patienten nur eines: Warten. Und das oft stundenlang.

Autor: C. Hatty

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