Tag & Nacht


Wer in der Rue des Saussaies 8 das Haus betrachtet, ahnt wenig. Zwischen dem Élysée-Palast und dem Innenministerium gelegen, wirkt die Fassade dieses kleinen Bistros geradezu unauffällig. Doch hinter der schlichten Tür beginnt eine Welt, in der sich Frankreichs Elite den Magen füllt – und manchmal auch die Republik steuert.

Willkommen im Le Griffonnier – einem Ort, der mehr ist als ein Restaurant. Er ist ein Refugium, ein Machtknoten, eine Zeitkapsel.

Kein Glanz, kein Glamour – und gerade deshalb so besonders

In einem Stadtteil, wo alles funkelt und flackert, hält sich Le Griffonnier an das Understatement. Das Interieur? Holz, Leder, weiße Tischdecken. Nicht mehr. Nicht weniger. Kein Designer-Bling, keine Instagram-Wände. Wer hierherkommt, sucht nicht die Bühne, sondern den Rückzugsort. Nur mittags geöffnet, dazu ein exklusiver Abendservice am Donnerstag – das ist keine Geschäftsidee, das ist eine Haltung.

Die Stammgäste? Fast ausnahmslos Männer im grauen Maßanzug. Politiker, Banker, leitende Beamte, Journalisten. Hier spricht man leise, aber entscheidende Dinge. Das Griffonnier ist nicht laut, aber wirksam.

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Klassik auf dem Teller, kein Schnickschnack

In der Küche steht Cédric Duthilleul, einst Sous-Chef bei La Mascotte. Heute serviert er eine ehrliche, bourgeoise Bistroküche, die sich nicht verstecken muss – aber auch nichts vorgibt zu sein, was sie nicht ist.

Auf der Karte: Klassiker mit Charakter. Eier mit Mayonnaise, wie sie nur in Frankreich gemacht werden. Os à moelle, das Mark aus dem Knochen, heiß serviert. Entrecôte, Confit de Canard, Andouillette 5A – das ganze Alphabet der frankophilen Fleischfreude.

https://twitter.com/andreasc/status/1200143852738363392

Bezugsquellen wie die renommierten Boucheries Nivernaises sichern Qualität und Authentizität. Und wer gern das Glas hebt, darf sich auf eine handverlesene Weinkarte freuen. Große Namen, charmante Außenseiter – auch hier zählt Substanz.

Wo Politik nicht aufhört – sondern beginnt

Le Griffonnier ist ein Ort, an dem Geschichte nicht nur passiert – sie wird besprochen, vielleicht sogar beschlossen. Der Ort ist so nah an den Machtzentren der Republik, dass Gespräche hier oft vertraulicher sind als in so manchem Regierungssaal. Wer genau hinschaut, erkennt bekannte Gesichter – ein ehemaliger Minister dort, ein Chefredakteur hier, eine Lobbyistin mit Notizbuch am Nebentisch.

Die Atmosphäre? Geschäftig, aber nie gehetzt. Hier wird gespeist, nicht geschlungen. Hier zählt nicht das Handy, sondern das Wort. Ein kleines Paris im großen Paris – unprätentiös, aber wirkungsvoll.

https://twitter.com/sarah90laurent/status/1190167725152382978

Ein Relikt? Nein – ein Bollwerk.

In einer Stadt, die sich kulinarisch immer schneller dreht, wo Pop-up-Konzepte und Fusion-Fantasien die Szene dominieren, wirkt Le Griffonnier fast wie ein Anachronismus. Doch gerade diese Standfestigkeit macht den Reiz aus. Es ist ein Ort, der sich nicht neu erfindet – weil er es nicht muss.

Wer hier isst, isst wie vor zwanzig Jahren. Und das ist – in Zeiten der Dauerveränderung – fast revolutionär.

Für alle, die wissen wollen, wie echtes Paris schmeckt

Zugegeben: Ohne Reservierung geht hier fast nichts. Und billig ist es auch nicht. Zwischen 60 und 100 Euro sollte man pro Person einplanen. Doch wer bereit ist, das zu investieren, wird belohnt – mit einem Erlebnis, das mehr ist als ein Lunch.

Denn Le Griffonnier ist kein einfacher Ort. Es ist ein Ort, an dem man versteht, warum die französische Küche nicht nur Essen ist, sondern Ausdruck einer Kultur. Einer Haltung. Eines Lebensgefühls.

Adresse: 8 rue des Saussaies, 75008 Paris
Telefon: 01 42 65 17 17
Geöffnet: Montag bis Freitag zum Mittagessen (12–16 Uhr), Donnerstagabend auch Dinner
Reservierung: Am besten mehrere Tage im Voraus – sonst bleibt nur der Blick durch die Scheibe.

Wer es schafft, einen Platz zu ergattern, erlebt Paris, wie es früher war – und vielleicht auch morgen wieder sein sollte.

Von Andreas M. Brucker

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