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Mit Wirkung zum 1. Januar 2026 streicht Frankreich die jahrzehntelang gewährten «Vorteile auf Lebenszeit» für ehemalige Mitglieder der Regierung. Premierminister Sébastien Lecornu verkündete am 15. September 2025 die Entscheidung, die als Bruch mit einer republikanischen Tradition verstanden werden kann – und als Signal in Zeiten angespannter Staatsfinanzen.

Von Chauffeur bis Polizeischutz – ein teures Erbe

Bislang konnten frühere Premierminister eine Reihe von Leistungen in Anspruch nehmen: eine Dienstlimousine mit Fahrer, die Unterstützung durch einen persönlichen Sekretär während zehn Jahren (oder bis zum 67. Lebensjahr) sowie eine dauerhafte Polizeibegleitung. Diese Regelung, bereits durch ein Dekret 2019 eingeschränkt, verursachte nach Angaben des Le Monde jährlich 4,4 Millionen Euro Kosten, wovon rund 3 Millionen allein auf die Sicherheitsleistungen entfielen.

Künftig sollen diese Begünstigungen zeitlich begrenzt werden. Polizeischutz wird nur noch in Abhängigkeit von einer tatsächlichen Bedrohungslage gewährt; die übrigen Unterstützungsleistungen laufen nach einigen Jahren aus. Damit wird ein System beendet, das häufig als Relikt monarchischer Symbolik kritisiert wurde.

Haushaltsdisziplin und politische Signalwirkung

Die Reform fügt sich in den breiteren Kontext einer straffen Haushaltsführung. Frankreich kämpft seit Jahren mit einem hohen Defizit – 2024 lag es bei 5,5 % des BIP, weit über den Maastricht-Grenzen. Lecornu betonte, man könne «nicht von den Franzosen Opfer verlangen, wenn diejenigen an der Spitze des Staates keine bringen» (La Dépêche).

Die Entscheidung besitzt weniger fiskalisches Gewicht – die eingesparten Millionen sind gemessen am Staatshaushalt marginal –, dafür aber erhebliche symbolische Strahlkraft. Sie soll zeigen, dass auch die politische Elite ihren Beitrag leistet, und richtet sich an ein Publikum, das seit der Gilets-Jaunes-Bewegung besonders sensibel auf Fragen der sozialen Gerechtigkeit und Staatsausgaben reagiert.

Zwischen Beifall und Skepsis

Politische Reaktionen fielen gemischt aus. Laurent Saint-Martin, ehemaliger Handelsminister, lobte die Reform als konsequenten Schritt: «Viele haben darüber gesprochen, Lecornu hat es getan» (TF1 INFO). Befürworter sehen darin ein längst überfälliges Zeichen der Modernisierung der französischen Republik.

Kritiker verweisen hingegen darauf, dass die Einsparungen minimal seien und der Schritt vor allem symbolischer Natur bleibe. Sie verlangen tiefgreifendere Strukturreformen, etwa bei der Pensionsregelung für Abgeordnete oder in der öffentlichen Verwaltung insgesamt.

Historische Parallelen und institutionelle Dynamik

Die französische Fünfte Republik ist reich an solchen symbolischen Gesten, die auf das Verhältnis zwischen politischer Elite und Gesellschaft abzielen. Schon François Hollande hatte 2012 auf den pompösen Auftritt in einem offiziellen Staatskonvoi bei seiner Vereidigung verzichtet, Emmanuel Macron hat seit 2017 den Elysee-Palast stärker für die Öffentlichkeit geöffnet. Solche Signale stehen in der Tradition einer republikanischen Selbstvergewisserung – sie sollen Nähe zum Volk demonstrieren, ohne die institutionellen Grundlagen zu verändern.

Ob Lecornus Entscheidung den Auftakt zu einer breiteren Reformagenda bildet, bleibt abzuwarten. Der Vertrauensverlust in politische Institutionen ist in Frankreich tief verankert; Umfragen zeigen regelmäßig, dass nur eine Minderheit den politischen Klassen echtes Verantwortungsbewusstsein zutraut. In diesem Klima können symbolische Maßnahmen zwar kurzfristig Zustimmung erzeugen, lösen aber nicht das strukturelle Problem der Staatsverschuldung und der politischen Entfremdung.

Am Ende wiegt deshalb weniger die Höhe der eingesparten Millionen als die Botschaft, dass die politische Elite nicht länger Sonderrechte beansprucht. Sollte Lecornu diesen Schritt mit weiteren institutionellen Reformen flankieren – etwa einer Reform des Wahlrechts oder einer Stärkung parlamentarischer Kontrollrechte –, könnte daraus mehr werden als eine Episode der Symbolpolitik.

Autor: Andreas M. Brucker

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