Lennart Monterlos, ein junger Mann mit deutschem und französischem Pass, wollte bloß die Welt sehen. Mit dem Fahrrad, von Besançon nach Japan – ein Traum zwischen Pedalen, Landschaften und Begegnungen. Doch irgendwo im Sand des iranischen Varzaneh verschwand der 18-jährige Abenteurer. Was als mutige Reise begann, endet nun womöglich in einem diplomatischen Albtraum.
Denn Lennart Monterlos ist nicht vermisst. Er wurde verhaftet. Und wie es aussieht, ist er kein Einzelfall, sondern Teil einer Strategie, die immer öfter Schlagzeilen macht – und Menschenleben in einen perfiden Machtpoker verstrickt.
Ein Fahrrad, ein Wüstenvideo – dann Stille
Am 16. Juni 2025 meldet sich Lennart zuletzt per Video aus dem Wüstensand. Ein Clip, der inzwischen sinnbildlich für seine unfreiwillige Reise in den iranischen Sicherheitsapparat steht. Am 11. Juli bestätigt der iranische Außenminister Abbas Araghchi dann öffentlich: Lennart ist festgenommen. Weshalb? Unklar. Wofür? Ebenfalls.
Solche Aussagen sind nicht ungewöhnlich, sondern kalkuliert vage. Denn genau darin liegt der Hebel – das Vakuum an Informationen ist kein Versäumnis, sondern Teil eines politischen Spiels.
Diplomatie mit Handschellen
Der Fall Monterlos ist kein Zufall. Er reiht sich ein in eine wachsende Liste von Fällen, die Beobachter als „Staatsgeiselnahmen“ bezeichnen. Die Methode? Touristen, Geschäftsleute, Studierende – Menschen mit westlichem Pass werden plötzlich festgenommen. Die Begründungen: schwammig. Die Verfahren: intransparent. Die Ziele: politisch.
Frankreich hat inzwischen mehrfach deutlich gemacht: Wer in den Iran reist, tut dies auf eigenes Risiko. Selbst einfache Urlauber können willkürlich festgenommen werden – als Faustpfand in einem zunehmend zermürbenden geopolitischen Schachspiel.
Cécile und Jacques – ein dunkles Déjà-vu
Bereits 2022 sorgten die Festnahmen von Cécile Kohler und Jacques Paris für Empörung. Die beiden Lehrer wurden der Spionage für Israel bezichtigt – ein schwerer Vorwurf, für den es bis heute keine belastbaren Beweise gibt. Frankreich spricht von konstruierten Anklagen, ihre Familien berichten von unmenschlichen Haftbedingungen, von Isolation und Misshandlungen.
Damals wie heute wirkt das iranische Vorgehen nicht wie das eines Rechtsstaats, sondern wie das Kalkül eines Regimes, das Druck ausüben will – auf Paris, auf Europa, auf den Westen.
Warum Frankreich?
Warum trifft es auffällig oft französische Staatsangehörige? Mehrere Gründe liegen auf der Hand. Erstens: Die Beziehungen zwischen Paris und Teheran sind angespannt. Frankreich zählt zu den lautstärksten Kritikern des iranischen Atomprogramms und des Umgangs mit Menschenrechten im Land.
Zweitens: Trotz Warnungen reisen nach wie vor französische Bürger in den Iran – sei es aus Abenteuerlust, familiären Gründen oder beruflichem Engagement. Das bietet dem iranischen Regime gewissermaßen eine „Auswahl“ an potenziellen Geiseln.
Drittens – und das ist der heikelste Punkt: Die Inhaftierten werden gezielt eingesetzt, um Zugeständnisse zu erpressen. Es geht um Tauschgeschäfte. Um die Freilassung iranischer Häftlinge in Europa. Um diplomatische Hebel, wenn klassische Verhandlungen versanden.
Die EU schaut hin – und fragt sich: Was nun?
Die Verhaftung von Lennart Monterlos hat nicht nur in Frankreich Wellen geschlagen. Auch in Brüssel wird das Thema diskutiert. Denn was in Teheran geschieht, betrifft längst nicht nur Paris. Es geht um ein prinzipielles Problem in den Beziehungen zwischen Europa und dem Iran.
Mehrere EU-Staaten fordern inzwischen eine koordinierte Antwort auf die Praxis der Geiseldiplomatie. Das Ziel: ein starkes, geschlossenes Signal an Teheran. Doch Einigkeit in der EU-Außenpolitik – das ist bekanntlich leichter gefordert als umgesetzt.
Tourismus als Falle?
Die iranischen Wüsten, Städte und Kulturstätten gelten als beeindruckend, faszinierend, tief verwurzelt in der Menschheitsgeschichte. Aber sie sind längst kein neutraler Boden mehr. Die politische Realität hat den Tourismus eingeholt.
Die Warnung der französischen Regierung ist eindeutig: Meidet den Iran. Nicht wegen der Landschaften – sondern wegen der politischen Willkür. Wer dennoch reist, tut dies mit einem Koffer voller Unsicherheit.
Und Lennart?
Was genau Lennart Monterlos vorgeworfen wird, ist bis heute unklar. Seine Familie schweigt öffentlich – vermutlich aus Angst, seinen Fall weiter zu politisieren. In Paris laufen unterdessen die diplomatischen Drähte heiß. Doch die Erfahrung zeigt: Diese Verfahren dauern. Oft Monate, manchmal Jahre.
Die Frage ist: Wie viele junge Menschen wie Lennart müssen noch verschwinden, ehe sich an der internationalen Reaktion etwas ändert?
Der Fall Lennart Monterlos steht exemplarisch für eine besorgniserregende Entwicklung: Die Instrumentalisierung unschuldiger Reisender als politische Druckmittel. Frankreich versucht, diplomatische Lösungen zu finden – doch gegen ein Regime, das auf Intransparenz und Einschüchterung setzt, bleibt oft nur Geduld. Oder ein Strategiewechsel.
Eins aber ist klar: Wer die Reiselust in einem jungen Menschen nutzt, um politischen Druck zu erzeugen, spielt mit Leben. Und mit Vertrauen – das sich schwer wieder aufbauen lässt.
Andreas M. Brucker
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