Tag & Nacht




Kein letzter Schwung, kein letzter Winter, es ist Schluss. Die Nachricht kam Anfang Oktober 2025 – und sie traf die Region wie ein Donnerschlag: Die Skistation Chalmazel, das einzige alpine Skigebiet im französischen Département Loire, wird in der kommenden Wintersaison 2025/26 nicht mehr öffnen. Das Aus ist beschlossen.

Ein Ende unter dem Deckmantel der „finanziellen Vernunft“

Die Entscheidung fiel nicht auf den Gipfeln, sondern in den Sitzungssälen des Départementrats. Georges Ziegler, Präsident des Départements, begründet den Schritt mit nüchternen Zahlen und einem bitteren Fazit: Der Betrieb sei zu teuer geworden. Zu wenig Schnee, zu viele Kosten – und zu viele Zweifel, ob sich neue Investitionen je wieder rechnen könnten.

Rund 450.000 Euro Defizit drohten, trotz einer öffentlichen Subvention von rund einer Million Euro. Chalmazel war schon länger ein Zuschussbetrieb – ein symbolisches, aber teures Überbleibsel aus einer Zeit, in der der Winter noch verlässlich weiß war.

Doch das Klima hat andere Pläne. In den mittleren Höhenlagen des Massif Central ist der Schnee längst zum Glücksspiel geworden. Schneekanonen sollen aushelfen, doch sie verbrauchen Energie, Wasser und Geld. Der Betrieb wurde für die Verantwortlichen zur Gratwanderung zwischen Verantwortung und Illusion. Also entschied man sich für den Stopp.

Aber wie so oft trifft der Bruch nicht nur die Zahlen, sondern die Menschen.

Ein Schock für Chalmazel – und für eine ganze Region

„Ein Stich ins Herz“, nennt es Valéry Gouttefarde, der Bürgermeister von Chalmazel-Jeansagnière. Der Ort, kaum 400 Einwohner stark, lebte im Winter vom Skitourismus. Hotels, Restaurants, Skiverleihe – sie alle hatten investiert, vorbereitet, gehofft. Nun stehen sie vor leeren Pisten und vollen Lagern. Ein Sporthändler spricht von 70.000 Euro ungenutztem Material.

Die Wut ist greifbar. Eine Online-Petition mit über 6.000 Unterschriften fordert den Erhalt der Station. Viele fühlen sich übergangen, nicht angehört. Die Entscheidung sei „brutal“ gefallen, heißt es in Leserbriefen und Radiosendungen. Der Frust mischt sich mit Trauer – und mit der Angst, dass Chalmazel bald mehr Vergangenheit als Zukunft ist.

Denn was passiert mit einem Bergdorf, wenn der Schnee verschwindet?

Das Ende eines Modells

Die Schließung Chalmazels ist kein Einzelfall, sondern Teil eines größeren, unaufhaltsamen Trends. In ganz Frankreich kämpfen die Mittelgebirgsstationen ums Überleben. Die Winter werden kürzer, wärmer, unzuverlässiger. Selbst große Skigebiete wie La Sambuy in Savoyen haben schon aufgegeben – zu teuer, zu riskant, zu wenig nachhaltig.

Viele Regionen versuchen nun den Wandel: Wandern statt Wedeln, Mountainbikes statt Skilifte, Naturtourismus statt Schneekanonen. Chalmazel soll, so versichert das Département, „nicht aufgegeben, sondern neu gedacht“ werden. Vielleicht mit ganzjährigen Angeboten – Sommerpfade, Kletterparks, Themenwanderungen.

Doch für die Bewohner klingt das nach Trostpreis. Denn der Winter war nicht nur Saison – er war Identität.

Zwischen Verantwortung und Wehmut

Für die Verwaltung ist das Aus von Chalmazel eine „Pause“. Für viele Einheimische ein Schlussstrich. Die einen sprechen von Weitsicht, die anderen von Kapitulation. Beides stimmt ein Stück weit.

Das Beispiel Chalmazel zeigt, was passiert, wenn die Natur die Regeln ändert – und wir trotzdem an alten Träumen festhalten. Skifahren in 1.400 Metern Höhe war schon lange eine Wette gegen die Zeit. Jetzt hat die Zeit gewonnen.

Aber vielleicht liegt genau hier ein Neuanfang: Eine Region, die sich neu erfindet, jenseits des Skitourismus. Eine Region, die lernt, mit dem zu leben, was sie hat – nicht mit dem, was sie verlor.

Und doch: Wenn im Januar der erste Schnee fällt, werden viele nach oben blicken. Und sich fragen – hätte man es nicht doch versuchen können?

Autor: Andreas M. Brucker

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