Tag & Nacht

Ein symbolträchtiger Besuch mit kritischen Stimmen.

Anlässlich der Gedenkfeier zum 80. Jahrestag der Befreiung von Colmar, der letzten großen Stadt an der Ostfront, die 1945 von den Alliierten zurückerobert wurde, reiste Emmanuel Macron am Sonntag, den 2. Februar, in das Elsass. Nach der offiziellen Zeremonie suchte der französische Präsident wie gewohnt den direkten Kontakt zur Bevölkerung – und wurde prompt mit den Sorgen der Bürger konfrontiert.

„Ich habe so ein Chaos noch nie gesehen“

Während Macron Hände schüttelte und für Fotos posierte, trat eine ältere Dame mit einer deutlichen Botschaft an ihn heran: „Ich bin 81 Jahre alt, ich habe so ein Chaos noch nie gesehen. In der Nationalversammlung schreien alle durcheinander. Warum schreien die alle? Kann man nicht abwarten, bis man an der Reihe ist?“ Ihr Appell war klar: Der Präsident solle für mehr Ordnung im Land sorgen.

Macron zeigte sich verständnisvoll, wies jedoch darauf hin, dass er als Präsident nicht die Disziplin der Abgeordneten in der Nationalversammlung durchsetzen könne. „Sie haben vollkommen recht. Aber es ist nicht der Präsident der Republik, der die Abgeordneten disziplinieren kann. Die Abgeordneten werden vom Volk gewählt, und wenn das Volk das Problem so sieht wie Sie, wird es keine Abgeordneten mehr wählen, die für Unruhe sorgen.“

Gleichzeitig mahnte Macron an, nicht alle Parlamentarier über einen Kamm zu scheren. „Man darf nicht verallgemeinern. Hier um mich herum sind Abgeordnete, die sich nicht so verhalten.“ Damit spielte er unter anderem auf die Colmarer Abgeordnete Brigitte Klinkert an, die ihn bei seinem Rundgang begleitete.

Gespräche über Mobbing und Afghanistan

Neben innenpolitischen Themen kam es auch zu Gesprächen über internationale und gesellschaftliche Anliegen. Ein junger Schüler sprach den Präsidenten auf das Problem des Mobbings an Schulen an, ein Thema, das in Frankreich zunehmend in den Fokus gerückt ist.

Besonders bewegend war die Begegnung mit einem afghanischen Flüchtling, der mit Tränen in den Augen Macron bat, mehr für die Frauen in Afghanistan zu tun. Seit der erneuten Machtübernahme der Taliban 2021 werden die Rechte afghanischer Frauen immer weiter eingeschränkt.

Ein Präsident im direkten Dialog – doch wie weit reicht sein Einfluss?

Macrons Besuch in Colmar verdeutlicht einmal mehr die zunehmende Unzufriedenheit vieler Bürger mit der politischen Kultur des Landes. Während der Präsident auf den direkten Austausch mit der Bevölkerung setzt, bleibt die Frage, ob seine Antworten die Sorgen der Menschen wirklich besänftigen können. Die Forderung nach mehr Ordnung und politischer Disziplin zeigt, dass das Vertrauen in die politischen Institutionen Frankreichs weiter bröckelt. Doch Macron macht klar: Die Verantwortung für den Zustand des Parlaments liegt letztlich beim Wähler selbst.

Autor: P.T.


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