Tag & Nacht


Eine Zahl, ein Gerücht, ein digitales Echo: Angeblich soll der Intelligenzquotient von Emmanuel Macron „bei 89“ liegen — unterdurchschnittlich also, ein Schlag gegen die Würde des französischen Präsidenten. Die Behauptung ist nicht nur falsch, sie ist konstruiert, strategisch platziert und Teil einer digitalen Rufmordkampagne. Dahinter steht keine zufällige Verschwörung, sondern ein gezielter Angriff auf die demokratische Öffentlichkeit. Es geht nicht um Inhalte, sondern um Gesichter. Nicht um Debatte, sondern um Diskreditierung.

Diese Episode markiert eine neue Eskalationsstufe im hybriden Informationskrieg gegen westliche Demokratien.

Die neue Frontlinie des Misstrauens

Seit Anfang Dezember kursieren online Falschmeldungen über Macrons angeblich niedrigen IQ, gestreut über soziale Netzwerke, Fake-News-Portale und automatisch generierte Profile. Der Angriff ist bemerkenswert, weil er sich nicht auf politische Entscheidungen oder konkrete Fehltritte bezieht, sondern auf die persönliche Integrität des Präsidenten.

Er richtet sich gegen die symbolische Autorität eines demokratisch gewählten Staatsoberhauptes — ein Versuch, die Figur selbst zu entwerten, jenseits des politischen Streits. Das Ziel ist nicht Aufklärung oder Mobilisierung, sondern Zersetzung.

Von der Lüge zur emotionalen Wirkung

Solche Formen digitaler Diffamierung sind keine klassischen Desinformationskampagnen mehr. Sie operieren nicht mit „alternativen Fakten“, sondern mit reinen Suggestionen: Ein IQ von 89 lässt sich weder beweisen noch widerlegen. Gerade darin liegt die perfide Wirkung — der Angriff bleibt im Raum, verankert sich emotional und reproduziert sich in Form von Häme, Spott oder stillem Zweifel.

Der Mechanismus folgt dem Prinzip der viralen Empörung. Je absurder und persönlicher die Behauptung, desto größer die Verbreitung. Was früher als unterstes Boulevard-Niveau galt, wird nun zur Waffe der psychologischen Kriegsführung. Die Grenze zwischen Lüge und Belustigung verschwimmt — und genau das ist beabsichtigt.

Gezielte Schwächung demokratischer Repräsentation

Der Kontext dieser Angriffe ist politisch aufgeladen: Frankreich gehört zu den engagiertesten Unterstützern der Ukraine. In der Logik strategischer Einflussnahme werden Staatschefs, die für eine klare westliche Haltung stehen, zur Zielscheibe.

Doch im Gegensatz zu früheren Kampagnen, die auf Wahlmanipulation oder Desinformation zu politischen Inhalten setzten, ist das Neue hier die Verlagerung auf die Persönlichkeit. Nicht mehr das Argument wird bekämpft, sondern der Mensch. Eine bewusste Herabsetzung der politischen Figur, die dazu dient, Misstrauen gegen das gesamte System zu säen.

Die Demokratie wird nicht frontal angegriffen, sondern ausgehöhlt — über Zweifel an der Kompetenz ihrer Vertreter. Das langfristige Ziel: Entpolitisierung durch Erniedrigung.

Die unsichtbare Front im digitalen Raum

Die Werkzeuge solcher Angriffe sind ebenso neu wie raffiniert: Künstlich erzeugte Inhalte, täuschend echt gestaltete Falschmeldungen, automatisierte Verbreitung über Bots und algorithmisch optimierte Empörung. Es geht um Reichweite, Schnelligkeit und emotionale Wirkung — nicht um Wahrheit.

Dabei sind diese Angriffe nicht nur schwer zu identifizieren, sondern noch schwerer zu bekämpfen. Denn sie tarnen sich als vermeintliche Ironie, als viraler Witz, als harmloser Spott. Doch ihre Wirkung ist real: Vertrauen wird unterminiert, Diskursräume werden vergiftet, die Schwelle zur Verachtung sinkt.

Was bleibt, ist ein vergifteter Raum der Unsicherheit. Wer soll noch glauben, was wahr ist? Und wer ist noch bereit, sich für das Wahre starkzumachen?

Die Kampagne gegen Macron zeigt: Der Angriff auf die Demokratie beginnt nicht erst mit der Manipulation von Wahlen. Er beginnt mit dem Zweifel an der Würde des Amtes — und dem Verlust an Ernsthaftigkeit im öffentlichen Umgang mit politischen Repräsentanten.

Wenn der politische Gegner nicht mehr widersprochen, sondern verlacht wird, steht nicht nur seine Autorität zur Disposition, sondern die Ernsthaftigkeit des gesamten demokratischen Systems.

Autor: P. Tiko

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