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Am 24. Juli 2025 kündigte der französische Präsident Emmanuel Macron an, Frankreich werde bei der Generalversammlung der Vereinten Nationen im September den Staat Palästina offiziell anerkennen. Mit dieser Entscheidung reiht sich Paris in eine wachsende Zahl europäischer Staaten ein, die sich zu einem souveränen Palästinenserstaat bekennen. Doch was als diplomatischer Meilenstein verkauft wird, hat auf die Lage vor Ort bislang kaum Einfluss – und stößt in der palästinensischen Bevölkerung auf eine Mischung aus Skepsis, Resignation und vorsichtiger Hoffnung.

Symbolpolitik in einem festgefahrenen Konflikt

In der besetzten Westbank ist die Reaktion auf Macrons Ankündigung verhalten. Zu oft wurden große Worte in der internationalen Diplomatie nicht von konkreten Veränderungen begleitet. Die palästinensische Bevölkerung lebt weiterhin unter israelischer Besatzung, ist mit Reisebeschränkungen, Militärkontrollen und regelmäßigen Hausabrissen konfrontiert. Die Aussicht auf staatliche Anerkennung durch ein westliches Land mag im diplomatischen Diskurs Bedeutung haben – im Alltag der Betroffenen ändert sie zunächst nichts.

Hinzu kommt ein tiefsitzendes Misstrauen gegenüber der Effektivität solcher Erklärungen. Die UNO hat in der Vergangenheit eine Vielzahl an Resolutionen verabschiedet, die die israelische Siedlungspolitik verurteilen oder ein Ende der Besatzung fordern. Auch haben zahlreiche Staaten – zuletzt Norwegen, Irland und Spanien – Palästina anerkannt. Dennoch bleibt die Zwei-Staaten-Lösung in weiter Ferne. Israel verfolgt unter Premierminister Netanjahu eine Politik der De-facto-Annexion, und die Gewaltspirale zwischen Armee, Siedlern und palästinensischen Gruppen nimmt zu.

Frankreichs strategische Positionierung

Frankreichs Schritt ist nicht nur Ausdruck moralischer Haltung, sondern auch ein außenpolitisches Signal. Macron sucht seit Jahren eine eigenständige Rolle Europas im Nahostkonflikt und will sich als Vermittler positionieren – in Abgrenzung zu den USA, die unter Präsident Trump eine deutlich Israel-freundlichere Linie verfolgen. Die Anerkennung Palästinas passt zudem in Macrons Bemühungen, gegenüber der arabischen Welt glaubwürdiger aufzutreten, etwa in der Mittelmeerpolitik oder bei sicherheitspolitischen Fragen in Nordafrika.

Allerdings bleibt offen, ob Paris über das Symbol hinaus bereit ist, politischen Druck auf Israel auszuüben – etwa durch Handelsrestriktionen gegenüber Produkten aus Siedlungen oder durch die Unterstützung internationaler Ermittlungen zu Menschenrechtsverletzungen. Ohne solche Schritte droht die Anerkennung zu einer diplomatischen Geste ohne Nachhall zu verkommen.

Erwartungen an die internationale Gemeinschaft

In palästinensischen Kreisen wird dennoch gehofft, dass Frankreichs Entscheidung eine Sogwirkung entfalten könnte. Eine breite, koordiniert auftretende Koalition westlicher Staaten, die Palästina anerkennen und gleichzeitig Druck auf Israel ausüben, die Bombardierungen des Gazastreifens zu beenden, könnte Bewegung in den eingefrorenen Friedensprozess bringen. Gefordert sind nicht nur Appelle, sondern konkrete Maßnahmen: Die Einhaltung des Völkerrechts, das Einfrieren von Siedlungsbau, die Sicherstellung humanitärer Versorgung in Gaza und die Wiederaufnahme echter Verhandlungen.

Zugleich ist klar, dass jede Lösung des Konflikts nur tragfähig sein kann, wenn sie sowohl die israelische Sicherheitslage berücksichtigt als auch den legitimen Anspruch der Palästinenser auf Selbstbestimmung anerkennt. Die internationale Gemeinschaft muss daher nicht nur auf Symbole setzen, sondern politische, wirtschaftliche und diplomatische Hebel einsetzen, um beide Seiten zur Kompromissbereitschaft zu bewegen.

Macrons Initiative ist daher ein zweischneidiges Schwert: Sie birgt Potenzial für neue diplomatische Impulse, läuft jedoch Gefahr, ohne flankierende Maßnahmen zur bloßen Rhetorik zu verkommen. Die Palästinenser in der Westbank haben genug von leeren Versprechungen. Ihre Realität bleibt geprägt von Unsicherheit, Rechtlosigkeit und Stagnation – auch nach der Anerkennung durch Frankreich.

Autor: P. Tiko

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