Tag & Nacht

Angesichts der zunehmenden Risiken, denen manche französischen Kommunen ausgesetzt sind, sind viele Bürgermeister verärgert, weil sie keine Versicherer mehr finden, die das Eigentum ihrer Gemeinden versichern. Dies geht so weit, dass sie sich im Ausland nach Versicherungen umsehen.

Saint Lô ist eine kleine Gemeinde in der Normandie mit etwa 19.000 Einwohnern. Die Bürgermeisterin, die seit drei Jahren im Amt ist, glaubte früher, dass ihre kleine Stadt kaum sozialen und klimatischen Risiken ausgesetzt sei. Das änderte sich im November 2023. Der Sturm Ciaran fegte über Saint-Lo hinweg und entwurzelte Bäume, zerstörte öffentliche Gebäude. Dem vom Fechtclub der Stadt genutzten Salle du Bouloir wurde das Dach weggeweht. Der Schaden betrug mehr als 400.000 Euro und wurde von der Versicherung der Stadt gedeckt. Seit dem 1. Januar dieses Jahres hat der Versicherer jedoch seinen Vertrag mit der Stadtverwaltung gekündigt. Das ist völlig legal und im französischen Versicherungsgesetz so vorgesehen: „Bei einer Risikoerhöhung im Laufe der Vertragslaufzeit hat der Versicherer das Recht, entweder den Vertrag zu kündigen oder einen neuen Prämienbetrag vorzuschlagen“.

Nach dieser Kündigung steht die Stadtverwaltung seit zwei Monaten ohne Versicherung für Sachschäden da. Die Bürgermeisterin hat zwar versucht, andere Versicherer zu finden, aber die Angebote, die sie erhielt, bedeuteten eine Erhöhung der Beiträge von 70.000 auf 250.000 Euro pro Jahr, wobei die Selbstbeteiligungen manchmal sogar um das Hundertfache stieg. Bürgermeisterin Emmanuelle Lejeune bedauert das: „Ein Bürgermeister kann sich nicht damit abfinden, dass die Versicherung eines Gutes ihn viel mehr kosten wird als das Gut selbst. Die Frage muss auf den Tisch gebracht werden. Es müssen Partnerschaften mit dem Staat in Betracht gezogen werden. Wer übernimmt heute den Schutz des Risikos eines kommunalen Vermögens“?

10 % der 35.000 französischen Gemeinden sollen laut dem Verband der Bürgermeister Frankreichs (AMF) derzeit mit Vertragskündigungen oder stark steigenden Versicherungsprämien konfrontiert sein.

Und manche Gemeinden sehen sich gezwungen, sich an ausländische Versicherer zu wenden. Laut einem Versicherungsmakler werden die französischen Gemeinden zu einem echten Markt für deutsche, amerikanische oder asiatische Versicherer: „Es gibt Versicherer, die vielleicht etwas intelligenter sind als die klassischen Versicherer und die sich sagen: ‚Wenn ihr diese Risiken nicht wollt, sind wir bereit, das Risiko zu übernehmen‘. Man kann diesen Versicherern gegenüber sehr kritisch eingestellt sein, dennoch sind es heute nicht die sogenannten klassischen Versicherer, die den Kommunen aus der Patsche helfen.“

Auch die Stadt Dinan het einen ausländischen Versicherer in Anspruch genommen. Diese bretonische Gemeinde ist nun zu 50 % von einem japanischen Versicherer und zu 50 % von amerikanisch-britischen Versicherern abgedeckt. Nicht wirklich billiger, so Didier Lechien, Bürgermeister von Dinan, aber sie waren die einzigen, die sich bereit erklärt haben, die Gemeinde zu versichern: „Ich bin ein bisschen wütend, dass kein französischer Versicherer bereit ist, eine französische Gebietskörperschaft zu versichern. Dabei wird vergessen, dass wir einen öffentlichen Auftrag haben, dass wir eine Körperschaft der Republik sind und dass es eine Frage der Souveränität ist, von einem französischen Versicherer versichert zu werden. Dass eine Körperschaft der Republik gezwungen ist, sich in Japan, Großbritannien oder den USA zu versichern, finde ich unglaublich“.

Angesichts des Unmuts der Bürgermeister sagt Patrick Blanchard, Generaldirektor der SMACL, des Hauptversicherers der Gebietskörperschaften mit mehr als 10.000 Einwohnern, dass er diese Situation bedauere, rechtfertigt die Rückzüge der Versicherungen jedoch mit der Zunahme der Schadensfälle, die die Gemeinden in den letzten Jahren betreffen: „Ich nehme das Beispiel der Unruhen nach dem Tod des jungen Nahel. Für die SMACL hat das 65 Millionen Euro gekostet. Was machen wir mit diesen 65 Millionen Euro? Wir bezahlen sie und das zwingt uns in die Knie. Wir werden immer mehr Großschadensereignisse haben und deswegen müssen wir uns alle an einen Tisch setzen: Gebietskörperschaften, Versicherer und der Staat, um Lösungen zu finden“.

Die Regierung hat gerade eine Untersuchung zur Versicherbarkeit von Gebietskörperschaften in die Wege geleitet. Die Schlussfolgerungen werden für April nächsten Jahres erwartet.


Du möchtest immer die neuesten Nachrichten aus Frankreich?
Abonniere einfach den Newsletter unserer Chefredaktion!