Marseille kämpft gegen die Hitze – mit einer grünen Offensive.
Marseille, eine Stadt, die für ihre heiße Sonne und das strahlend blaue Mittelmeer bekannt ist, wird zunehmend mit einem neuen, weniger willkommenen Image konfrontiert: Hitzewellen, die regelmäßig über die Stadt hinwegfegen und ihre Bewohner zwingen, sich in den kargen Schatten zurückzuziehen. Das Département Bouches-du-Rhône ist oft besonders stark betroffen. Angesichts dieser Herausforderungen sucht die Stadt nach Lösungen, um den städtischen Raum an die immer extremeren klimatischen Bedingungen anzupassen.
Kleine Schritte in die richtige Richtung
Wer durch das Zentrum von Marseille spaziert, wird schnell feststellen, dass die Stadt im Vergleich zu anderen Großstädten überraschend wenig grün ist. „Béton, Béton und nochmals Béton“, beschwert sich eine Anwohnerin am Vieux-Port. Was einst vielleicht ein schattiges Paradies war, ist nun eine steinige Landschaft, die kaum Schutz vor der erbarmungslosen Sonne bietet. Die aktuelle Stadtverwaltung hat erkannt, dass dieses Problem nicht länger ignoriert werden kann. Seit vier Jahren arbeitet sie an einem umfassenden Plan, um die Stadt Stück für Stück zu begrünen.
Ein ambitionierter Plan: 300.000 Bäume für Marseille
Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, wie dramatisch die Situation wirklich ist: Seit den 1970er Jahren sind 60 % der Bäume in Marseille verschwunden. Dies ist das Ergebnis jahrzehntelanger Vernachlässigung und einer Bauwut, die die Natur an den Rand gedrängt hat. „Es wurde gebaut, was das Zeug hält, ohne Rücksicht auf die Natur“, so Nassera Benmarnia, die für die Begrünung zuständige Stadträtin. Um diesem Trend entgegenzuwirken, hat die Stadt einen ehrgeizigen „Plan arbres“ ins Leben gerufen. Bis zu 300.000 Bäume, Sträucher und Büsche sollen in den nächsten sechs Jahren gepflanzt werden. Doch Bäume brauchen Zeit – bis sie genügend Schatten spenden, vergehen drei bis fünf Jahre, und erst nach zehn Jahren erfüllen sie ihre kühlende Funktion vollends.
Schulen als grüne Inseln
Das Programm beschränkt sich nicht nur auf die öffentlichen Parks. Auch die Höfe von über 450 Schulen in Marseille werden nach und nach von Beton befreit und begrünt. So bereits geschehen an der Schule Saint-Louis Gare im 14. Arrondissement. Hier wurde der graue Beton durch grüne Flecken ersetzt – ein kleiner Schritt, aber einer von großer Bedeutung. Bäume und Pflanzen, die dem immer heißer werdenden Klima in Marseille standhalten, werden sorgfältig ausgewählt. Das Ziel ist klar: wenig Rasen, der viel Wasser benötigt, und mehr robuste mediterrane Pflanzen, die Trockenheit besser überstehen.
Die Rolle der Bäume im Kampf gegen die Hitze
Die Initiative zur Begrünung ist ein wichtiger Schritt im Kampf gegen die steigenden Temperaturen, aber sie allein wird nicht ausreichen, wie Marc Saudreau vom INRAE, der am Projekt Cooltrees beteiligt ist, betont. „Jeder Baum, der gepflanzt wird, bringt einen Vorteil“, sagt er. Doch man darf keine Wunder erwarten – Bäume sind keine Klimaanlagen. Sie kühlen die Umgebung durch Schatten und Verdunstungskälte, aber sie können die Temperatur nicht um 10 oder 20 Grad senken. Stattdessen helfen sie, extreme Temperaturspitzen zu vermeiden und tragen dazu bei, dass die Stadt bei 40 Grad bleibt, anstatt auf 50 Grad zu steigen.
Eine Stadt im Wandel
Doch Bäume allein reichen nicht aus, um Marseille nachhaltig abzukühlen. Weitere Maßnahmen wie das Streichen von Gebäuden in Weiß, um die Sonnenstrahlen zu reflektieren, oder das Entsiegeln von Flächen, um Beton durch erdige Oberflächen zu ersetzen, sind ebenfalls vonnöten. Marseille steht vor einer gewaltigen Aufgabe – doch jeder kleine Fortschritt, sei es ein neu gepflanzter Baum oder eine entsiegelte Fläche, ist ein Schritt in die richtige Richtung.
Die Stadt verändert sich, langsam aber sicher. Es wird nicht über Nacht geschehen, aber mit Geduld und Ausdauer könnte Marseille eines Tages ein Vorbild für andere Städte werden, die ebenfalls versuchen, sich den Herausforderungen des Klimawandels zu stellen. Denn wer weiß? Vielleicht wandert man in ein paar Jahren durch Marseille und findet dort, wo einst nur Beton war, grüne Oasen der Erholung.
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